1826 - Das Nebelheer
gehen, aber es blieb mir nichts anderes übrig. Der Nebel hatte sich an bestimmten Stellen fast verflüchtigt, und so war nur noch die Dunkelheit vorhanden.
Ich setzte mich in Bewegung. Es war kein Problem für mich, in den Wald einzudringen. Genau den Weg mussten auch die beiden Reiter genommen haben. Platz gab es genug zwischen den Bäumen, und auch ich musste nicht befürchten, gegen ein Hindernis zu laufen.
Ich konnte die Verfolgung der Gestalten aufnehmen, auch wenn ich sie nicht sah. Das war schon seltsam, aber in der Ferne war ein bläuliches Licht zu sehen. Nicht klar, sondern verschwommen, wobei ich davon ausging, dass es sich um Nebel handelte.
Jetzt blau?
Meine Neugierde war geweckt. Wie weit ich gehen musste, war in der Dunkelheit schlecht festzustellen, aber ich würde es schaffen, das stand fest.
Ich kam näher. Aber ich hörte nichts. Es gab keine Geräusche, die mir den Weg gewiesen hätten, dafür aber der bläuliche Nebel, der auf dem Boden und zwischen den Bäumen lag.
Ich erwartete die Reiter.
Noch waren sie nicht zu sehen.
Dann hielt ich Ausschau nach einem anderen Ziel. Ich wusste nicht, was es sein konnte, ich hoffte nur, in der Nähe etwas zu entdecken.
Nein, da war nichts.
Also weitergehen.
Obwohl ich nichts Geheimnisvolles oder Gefährliches gesehen hatte, suchte ich weiter, denn mir war klar, dass es hier etwas geben musste.
Der Nebel sah jetzt konzentriert aus und war auf eine bestimmte Stelle begrenzt. Besonders dicht kam er mir auch nicht mehr vor. Ich nahm ihn als schwächer wahr, und dann spürte ich plötzlich meinen Herzschlag überlaut. Ich war nicht mehr weit vom Ziel entfernt.
Vor mir lag eine Lichtung, die allerdings nicht leer war, denn dort wuchs etwas aus dem Boden.
Ich war noch zu weit entfernt, um den Gegenstand genauer erkennen zu können. Dann hatte ich den Rand der Lichtung erreicht. Auch hier hätte es dunkel sein müssen, war es aber nicht, denn hier sah ich die Quelle des blauen Lichts.
Meine Augen weiteten sich. Durch meinen geöffneten Mund strömte die Atemluft. Schwindlig wurde mir nicht, aber ich war auch nicht weit von diesem Zustand entfernt.
Was ich jetzt sah, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich stand mitten im Wald vor einem Friedhof …
***
Marian Drake hatte protestiert, war aber bei Jane Collins nicht damit durchgekommen. Sie war trotzdem im Bad verschwunden und hatte gefunden, was sie suchte. Etwas Verbandsmull, Pflaster und ein Desinfektionsmittel. Eine kleine Schere brachte sie auch mit, heißes Wasser ebenfalls, und sie wurde misstrauisch beobachtet.
»Was soll das?«
»Das wissen Sie genau, Marian. Ihre Wunde muss verbunden werden, das ist alles.«
»Aber sie …«
»Keine Widerrede.« Jane hatte alles im Griff. Vor allen Dingen Marian. Der saß in einem der Sessel und litt. Er hatte seine Beine ausgestreckt und atmete schwer. Schweiß lag auf dem Gesicht mit der schlaff gewordenen Haut.
Jane legte die Wunde frei. Dann schaute sie genauer nach und sah, dass sie doch größer war, als sie es angenommen hatte. Da brauchte sie schon etwas mehr Verbandsmull und auch ein größeres Pflaster. Es war kein Problem, und sie war zudem froh, das Desinfektionsmittel mitgebracht zu haben.
Das verteilte sie auf der Wunde.
Es war die Hölle für Drake. Eine Folter, die er kaum ertragen konnte.
Jane nickte ihm zu. Sie sah den Schweiß auf seinem Gesicht. Sein Mund stand offen, und die Lippen zitterten wie bei einem heftigen Fieberschauer.
»Wollen Sie mich umbringen?«
»Nein, retten.«
»Verdammt, es tut …«
»Ja, ich weiß, dass es wehtut. Das ist mir klar. Was wehtut, das tut auch gut«
»Sie haben gut reden.«
»Hören Sie auf, ich kenne das Gefühl.« Jane griff zum Pflaster. Die Wunde hatte sie schon mit Verbandsmull abgedeckt. Das Pflaster sorgte dafür, dass der Verband festklebte.
»So, das war’s vorerst.«
»Wieso vorerst?«
»Weil sich noch ein Arzt Ihre Wunde anschauen sollte, das meine ich.«
»Das brauche ich nicht.«
»Warten wir mal ab.«
Marian Drake saß im Sessel. Jetzt stemmte er sich hoch, damit er gerade sitzen konnte. Er stöhnte dabei, sein Atem pfiff, und Jane wurde sauer.
»Bleiben Sie sitzen. Bewegen Sie sich so wenig wie möglich, verdammt. Sonst reißt die Wunde wieder auf.«
»Ja, schon gut.«
Jane Collins sagte nichts mehr. Sie dachte an John Sinclair. Sie hätte ihn über sein Handy anrufen können, aber das wollte sie nicht. Die Melodie konnte ihn in eine prekäre Lage
Weitere Kostenlose Bücher