1827 - Das vergessene Grab
sicher, dass die Kugel treffen würde, was sie sogar tat. Aber anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Es war wirklich ein Zufall, dass meine Kugel die Klinge des Beils traf, mit dem er mich hatte killen wollen.
Die Kugel jagte als Querschläger davon, und ich war froh, von ihr nicht getroffen worden zu sein. Zu einem zweiten Schuss ließ Clint Burgess mich nicht kommen. Er war schneller als ich. Hinzu kam die Dunkelheit, die sich auf seine Seite gestellt hatte. Er brauchte nur wenige Sekunden und war weg.
Ich war leider zu sehr auf mich konzentriert gewesen und wusste deshalb nicht, wohin er geflohen war. Jedenfalls war er nicht mehr zu sehen. Die Dunkelheit hatte ihn verschluckt.
Ich leuchtete und hoffte, am Echo der davoneilenden Schritte zu hören, wohin er lief. Auch das wurde mir verwehrt, denn ich nahm von ihm gar nichts mehr wahr.
Ich gab auch eine Verfolgung auf. Ich schaute mich zwar auf dem Gelände um, aber das war auch alles.
Von Clint Burgess sah ich nichts mehr.
Im Dunkeln ging ich auf den Eingang zu. Bevor ich das Heim betrat, sah ich noch etwas. Bruce Burgess saß nicht mehr an seinem Platz. Er hatte ihn verlassen und stand jetzt dicht vor der Scheibe, von wo aus er mich bei meiner Aktion hatte beobachten können.
Ich betrat das Heim. Die Frau am Empfang wollte etwas sagen. Sie kam nicht dazu, weil ich zu schnell an ihr vorbei war und auf Bruce Burgess zu eilte.
Er hatte sich noch nicht wieder gesetzt. Er stand neben dem Tisch und stützte eine Hand auf die Platte. Er nickte mir zu, wobei sein Gesicht einen sehr ernsten Ausdruck hatte, der sich auch nicht veränderte.
Ich brauchte nichts zu sagen, das tat er.
»Ja, ich habe alles gesehen.«
»Und?«
»Clint ist jetzt bewaffnet und noch gefährlicher. Er wird nicht mehr nur mit den eigenen Händen töten, sondern auch mit dem Beil. Und er wird keine Gnade kennen.«
»Da hast du recht.«
Bruce sagte: »Ich möchte, dass du ihn vernichtest, John.«
»Klar, das möchte ich auch. Aber dazu muss ich ihn erst mal zu fassen kriegen.«
»Das ist nicht leicht.«
»Eben.« Ich nickte Bruce zu. »Kannst du mir keinen Rat geben, wo er sich aufhalten könnte?«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Und warum nicht?«
»Weil es zahlreiche Möglichkeiten gibt. Zu viele, finde ich. Und die habe ich dir aufgeschrieben.«
»Ach ja, die Verwandten.«
»Genau die, John.«
»Wie viele sind es denn?«
»Eigentlich zu viele, die mir eingefallen sind. Sie stehen dort auf dem Zettel.«
Er hatte ihn auf den Tisch gelegt, an dem wir gesessen hatten. Ich ging hin, nahm ihn an mich und warf ich einen Blick auf die Liste. Sie war nicht unbedingt lang, aber die Namen abzuarbeiten, das bedeutete schon eine gewisse Arbeit.
Bruce Burgess schaute mir beim Lesen zu. »Und? Hast du auch eine Meinung?«
»Ja, ich lese hier, dass deine Verwandtschaft nicht eben klein ist.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Aber sie ist überall verteilt, nicht?«
»Genau. Quer über London, und dann gibt es noch ein paar in anderen Städten.«
Ich zögerte mit meiner Frage. Dann fasste ich mir doch ein Herz. »Welchen Grund kann er haben, dass er Jagd auf seine Verwandtschaft macht?«
»Das weiß ich nicht genau. Ich kann nur raten und muss davon ausgehen, dass sie sich nicht in seinem Sinne verhalten haben.«
»Meinst du das wirklich?«
»Ja.«
»Da komme ich nicht mit. Die meisten der Verwandten, die damals zu seiner Zeit gelebt haben, sind doch tot.«
»Aber sie haben Kinder und Enkel.«
»Die nichts mit dem zu tun haben, was ihre Eltern oder Großeltern getan haben.«
»Ja, das stimmt. Das weißt du, das weiß auch ich. Aber Clint Burgess weiß es nicht. Er hat immer auf die anderen Kräfte gesetzt, die ihn nicht haben sterben lassen. Er liegt nicht mehr in seinem Grab.«
»Hast du ihn denn schon gesehen?«
»Ja …«
»Und du lebst noch.«
Darauf sagte er nichts. »Du kannst ja versuchen, ihn zu stellen. Ich drücke dir die Daumen.«
»Danke, ich werde mich bemühen. Aber ich werde nicht allein Jagd auf ihn machen. Es gibt da jemanden, der mir bestimmt zur Seite stehen wird.«
»Auch noch heute Abend?«
»Wenn es sein muss, schon …«
***
Es tat mir gut, den warmen Tee zu trinken, den Shao zubereitet hatte. Sie, Suko und ich saßen in ihrem Wohnzimmer zusammen, und ich hatte berichtet.
Beide wussten jetzt, was passiert war, und beide sahen nicht eben glücklich aus.
»Da hast du dir was rangeholt, John«, sagte Shao. »Das ist schon ein Hammer.«
»Finde
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