1831 - Requiem für den Smiler
Haus.
„Wenn sich einer von uns beiden schuldig fühlen darf, dann bin ich es", sagte sie ohne lange Vorrede.
„Ich hätte den IQ-Dimmer nie für den Einsatz freigeben dürfen. Ich habe zwar seine Gefährlichkeit unterschätzt, aber ich habe gewußt, daß es nicht zu berechnende Nebenwirkungen geben wird. Die armen Teufel, die heil vom Humanidrom zurückgekommen sind, leiden immer noch darunter. Bei manchen hat sich der Zustand sogar verschlechtert ..."
„Okay, wenn es weiter nichts gibt, dann gehe ich wieder", fiel ich ihr ins Wort und wollte auf dem Absatz wieder kehrt machen.
Aber Arfe Loidan eilte mir nach und verstellte mir den Weg; die kleine Dame wäre kein wirkliches Hindernis für mich gewesen. Aber sie sollte ihre Chance haben.
Sie blickte zornig zu mir auf und sagte: „So einfach kommst du mir nicht davon. Ich möchte, daß du dich den Tatsachen stellst. Und jetzt hör mir einmal gut zu, Arkonide!"
Meine Körperhaltung verriet ihr, daß ich das tun würde. Sie machte eine. Pause, um Atem zu holen.
„Ich möchte dir nur eines vor Augen halten", fuhr sie fort. „Falls Tekener und die anderen noch am Leben sind, so stehen sie inzwischen bereits drei volle Tage unter der Wirkung des IQ-Dimmers. Das sind zweiundsiebzig Stunden, die untere Grenze, die dem Metabolismus zumutbar ist. Aus den Berichten, die wir vom Humanidrom erhielten, haben wir gesehen, daß Tekener viel schlimmer dran ist als die anderen, weil ihm der IQ-Dimmer alle drei Stunden verabreicht wird. Die Rechnung, daß der Zellaktivator regulierend eingreift, ist leider nicht aufgegangen. Bei Tekener potenziert der Zellaktivator die Wirkung sogar. Ich hoffe wie du, daß die Simple Minds durch irgendein Wunder noch am Leben sind. Aber Tekener müßte man eigentlich wünschen, daß er tot ist."
Ich erwiderte Arfes Blick und sah tief in ihren Augen einen Schatten, der eine Mischung aus Schwermut und Trauer sein mochte. Aber auch so etwas wie Mitleid las ich heraus. Mitleid mit mir?
Und auf einmal verstand ich. Arfe interpretierte mein Verhalten völlig falsch. Sie sah in mir einen weinerlichen, über zehntausendjährigen Arkoniden, der den Tod eines Freundes nicht verkraftete.
Das löste Ärger in mir aus. Kannte man mich denn so wenig, daß ich nicht Sensibilität zeigen durfte, ohne als gebrochener Mann gesehen zu werden?
Gleichzeitig zeigte sie Verständnis für meine vermeintliche Schwäche und signalisierte Seelenverwandtschaft. Sie wollte mir den vermeintlichen Weltschmerz ausreden, weil sie ihn für sich selbst beanspruchte. Diese Erkenntnis wiederum dämpfte meinen Ärger. Er verflog. Ich wollte das Thema einfach nicht mehr erörtern.
Ich sagte ihr nicht und rechtfertigte mich auch gar nicht dafür, daß es mir einzig darum ging, den Simple Minds, falls ein „Wunder" sie am Leben gelassen hatte, eine Chance zu geben.
So dachte ich.
„In Ordnung, Arfe, Schluß mit der Selbstquälerei." Ich wechselte das Thema. „Was hast du mit der Andeutung gemeint, daß du mir Aas servieren könntest? Du willst doch nicht sagen, daß die Vivoc abgestorben ist."
„So ungefähr", sagte die Xenomedizinerin.
Ihre Stimme verriet, daß auch sie bereit war, zur Tagesordnung überzugehen.
Sie führte mich zu einer Reihe von transparenten, glockenförmigen Behältern, die an Lebenserhaltungssysteme angeschlossen waren. In jedem dieser Brutbehälter lag eine der Vivoc-Larven. Ich stellte fest, daß sie sich nicht regten. Sie lagen leblos, wie sich verformende, zerfließende Fladen, in den Glocken; die Meßgeräte zeigten keinerlei Werte an.
Arfe deutete darauf.
„Ich weiß nicht, woran es liegt, daß sie nur wenige Stunden überlebt haben. Vielleicht ist .der Transport durch den Transmitter schuld, wer weiß. Vielleicht wurde ihr Tod auch durch ein Schockerlebnis ausgelöst, das darauf zurückzuführen sein könnte, daß man sie abrupt aus der vertrauten Umgebung gerissen hat, in der sie wohlbehütet waren. Es mag aber auch sein, daß Vivoc grundsätzlich überaus sensibel ist und zu einem hohen Prozentsatz stirbt. Ich konserviere die Kadaver und bewahre sie für weitere Untersuchungen auf. Zwei habe ich bereits seziert, aber keine Hinweise auf eine unnatürliche Todesursache gefunden. Ich mache in dieser Richtung weiter."
„Da regt sich doch etwas", stellte ich fest, als wir zu einem Behälter kamen, bei dem die Meßgeräte in gleichförmigem Rhythmus ausschlugen. Die Larve in dem Behälter zuckte und pulsierte im selben
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