1839 - Schwelle zum Absolutum
warf einen Blick auf das Chronogramm an der Wand.
„Wir unterbrechen die Befragung für zehn Minuten. Ich möchte etwas überprüfen. Es ist nicht erwiesen, daß Rebekka DeMonn Tizian Grannet erst kennenlernte, als er sich ihr unter dem Pseudonym Marcel Rembrandt näherte. Möglicherweise war das nur ein abgekartetes Spiel."
Er griff an seinen Gürtel. Ein Schirmfeld baute sich um Rebekka herum auf; gleichzeitig verschwand der Tisch mit den acht Personen hinter einer Deflektorwand.
Rebekka schlug die Beine übereinander und schloß die Augen. Es hatte alles keinen Sinn. Gegen Vorurteile kam sie nicht an. Und sie wußte, daß dies erst der Anfang war.
*
„Gib endlich zu, daß Tizian Grannet versucht hat, dich als Spionin in den TLD einzuschleusen."
Der kleine, untersetzte Mann mit den langen blonden Haaren mochte so um die hundert Jahre alt sein. Er vermied es, sie anzusehen, und starrte unverwandt auf die Tischplatte.
„Vielleicht hat er es ja versucht", entgegnete sie kühl. „Es ist sogar ziemlich wahrscheinlich, daß er mit dem Gedanken spielte. Aber er hat es bekanntlich nicht geschafft. Ich bin nicht käuflich."
„Aber verliebt."
„Das war einmal. Und nicht in ihn."
„In wen dann?"
„In Marcel Rembrandt. Das ist aus meinem Bericht bekannt."
„Eine merkwürdige Art von Schizophrenie. Nimmst du Medikamente? Oder konkreter: Hat er dir welche gegeben?"
„Nein."
„Du kannst das nicht mit Sicherheit wissen."
Rebekka zuckte mit den Achseln. „Wenn du meinst."
„Vielleicht hat er dein Essen manipuliert."
„Einspruch", meldete sich erneut der Syntron, der das Verhör begleitete und protokollierte. „Es sind keine chemischen oder anderen Veränderungen in Rebekka DeMonns Organismus festgestellt worden. Ein Eingriff durch Grannet hat nicht stattgefunden."
„Die Unterlagen enthalten nicht zufällig unerklärliche Abweichungen?"
„Nein. Und das ist allen Mitgliedern der Kommission bekannt."
„Nun gut."
Sie wollen dich weichklopfen, bis du nur noch als Spültuch zu gebrauchen bist, dachte Rebekka und knirschte leise mit den Zähnen. Unauffällig musterte sie ihre Umgebung und versuchte, das Flimmern von Energiefeldern zu erkennen.
Anhaltendes Schweigen trat ein. Drei der acht Männer und Frauen hatten bisher geschwiegen und meldeten sich auch jetzt nicht zu Wort. Sie schüttelten stumm die Köpfe.
Gia de Moleon quittierte es mit einem verlegenen Husten.
„Ich habe es von Anfang an gesagt", beschwerte sie sich. „Eure Leute beißen sich an Rebekka die Zähne aus. Das ganze Verhör ist keinen Schuß Pulver wert."
„Du hast uns in die LUNA geholt", konterte der Eisgraue. „Wir halten uns an die Vorschriften. Wir sind noch zu keinem gesicherten Ergebnis gelangt."
Die Chefin des TLD lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
„Ich beantrage, das Verhör erneut zu unterbrechen", sagte sie. „Diesmal für einen längeren Zeitraum.
Wer ist dafür?"
Sie setzte sich mit fünf gegen drei Stimmen durch.
2.
Point Survive, 500 Lichtjahre vor Scarfaaru: „Du solltest langsam damit aufhören, dir Vorwürfe zu machen", sagte Atlan.
Er stand unter dem Eingang zum Labor und blickte die Xenomedizinerin durchdringend an.
Arfe Loidan schüttelte traurig den Kopf.
„So einfach geht das nicht", meinte sie. „Du vergißt, daß ich in anderen Zeitmaßstäben denke als du."
„Entschuldige. Du hast recht." Der Arkonide setzte sich in Bewegung und kam auf sie zu. „Ich vergesse es tatsächlich manchmal."
Dicht vor der Plophoserin blieb er stehen.
Arfe Loidan gehörte zu den Personen, die er seit Jahrzehnten kannte. Sie hatte bereits den beiden BASISExpeditionen angehört und zählte inzwischen 138 Jahre. Aus der kleinen, pummeligen Wissenschaftlerin war eine schlanke Dame mit viel zu früh ergrauten Haaren geworden. Seit der Katastrophe auf Lokvorth hatte sie sogar ihren schwarzen Humor verloren.
„Tek geht es den Umständen entsprechend gut", versuchte Atlan sie zu beruhigen. „Sein Zustand ist stabil."
„Das will nichts heißen." Sie fuhr auf und starrte zornig an ihm empor. „Ich erkundige mich alle Stunde danach. Stabil heißt in diesem Fall, daß sich sein komatöser Zustand nicht ändert. Teks Körperwerte schwanken nach wie vor, und wenn sich am Vormittag eine Besserung abzeichnet, tritt am Nachmittag garantiert eine Verschlechterung ein. Die Organe erhalten keine neuronischen Impulse aus dem Gehirn mehr und wollen sich ständig abschalten, doch dann kommt wieder ein
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