1843 - Die Falle der Sensenfrau
die echten. In die, die man nicht so leicht begreifen kann. Ich denke nicht. Deshalb wird es nicht einfach sein, Conte zu überzeugen. Aber suchen müssen wir ihn, das ist sicher.«
Suko wartete mit seiner Antwort. Schließlich nickte er und gab mir recht. »Müssen wir. Wir brauchen jemanden, der sich hier auskennt. Und ich kann nur hoffen, dass Ignatius es schafft.«
So dachte auch ich. Das heißt, ich konnte kaum an etwas anderes denken, denn ich fühlte mich selbst angegriffen durch diese schlimme Tat. Ignatius war mein Freund. Wir hatten nicht oft, aber wenn, dann intensiv zusammengearbeitet, und das nicht nur als Chef der Weißen Macht, sondern schon früher, als er im Kloster St. Patrick gelebt und schon damals gegen das Böse gekämpft hatte.
Das Schicksal hatte ihm diesen Posten gegeben, und er hatte sich hier bewährt.
Aber jetzt sah es nicht gut für ihn aus.
Schritte unterbrachen meine Gedanken. Sie klangen nicht normal. Sie hörten sich an, als waren sie vorsichtig gesetzt worden. Ich saß so, dass ich zur Tür schauen konnte. Suko musste sich erst drehen, um den Ankömmling erkennen zu können.
Dann sahen wir ihn beide.
Und wir staunten auch, denn wer da kam, damit hätten wir im Leben nicht gerechnet.
Es war Julian!
***
Keiner sagte ein Wort. Wir ließen ihn kommen und wir sahen auch, dass er sich etwas unsicher fühlte. Er schaute nicht unbedingt nur nach vorn, sondern bewegte seinen Kopf hin und her. Es konnte auch sein, dass er etwas suchte. Wir würden es erfahren.
Suko und ich waren nicht zu übersehen. Eigentlich hätte er schnell auf uns zulaufen müssen, so jedenfalls dachte ich, aber er ging recht langsam, und es kam mir auch vor, als würde er schwanken.
Suko war sein Verhalten auch aufgefallen. Er zischte mir einen Satz zu.
»Da stimmt was nicht!«
Julian musste noch ein paar Schritte gehen, um uns zu erreichen. Er stand dann vor uns, schaute uns an und wischte über seine Augen. Dann holte er tief Luft, senkte den Blick und sagte mit leiser Stimme: »Ich weiß, dass etwas Schreckliches passiert ist.«
»Du meinst die Sache mit Ignatius.«
»Was sonst?«
»Und?«
Er schaute auf seine Fußspitzen. »Ich weiß es auch nicht.«
»Was weißt du nicht?«, fragte ich.
»Warum das alles passiert ist.« Seine Schultern zuckten. »Aber ich kann es nicht ändern.«
»Was kannst du nicht ändern?«
Er knetete seine Finger. »Dass Ignatius so schwer verletzt ist. Ich hätte es gern geändert, aber es ging nicht.« Er sprach leise.
Wieso legte Julian ein so ungewöhnliches Verhalten an den Tag? War es der Schock, war es seine Unsicherheit, die ihn so nervös machte, oder war es etwas anderes?
Ich wusste es nicht. Ich wollte ihn auch nicht danach fragen. Er sollte erst mal zur Ruhe kommen.
»Ja, es ist schlimm. Wir hätten auch nicht gedacht, dass so etwas geschehen würde.«
»Und man hat keinen Verdacht, wer es getan haben könnte«, sagte Suko. »Was ist mit dir? Hast du einen Verdacht?«
Julian schwieg. Er schloss sogar die Augen. Für uns war es eine Reaktion, die wir nicht so recht begriffen.
»Was ist los?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
Die Reaktion gefiel mir nicht. Ich wollte etwas dagegen tun und ging auf ihn zu. Er zuckte zusammen, als ich ihm eine Hand auf die Schulter legte.
»Was ist los mit dir, Julian? Was hast du? Du bist so verändert. Was ist passiert?«
Er schluckte und schwieg.
Ich wollte ihn nicht drängen und wartete ab, wie er sich in den folgenden Sekunden verhielt. Er tat nichts, blieb stehen und nickte dann vor sich hin.
»Was hast du?«
Julian gab eine Antwort. Er sprach sehr leise. Ich verstand ihn nicht und bat ihn, es zu wiederholen.
»Ich weiß jetzt, wer meine Eltern sind. Ich habe sie gesehen.«
»Schön.« Ich lächelte ihn an. »Aber ich denke, dass du uns die ganze Geschichte erzählen solltest. Bisher sind wir noch ziemlich außen vor, denke ich.«
»Das ist wohl richtig.«
Auch Suko war aufmerksam geworden. Er schaute uns an, blieb aber auf der Schreibtischkante sitzen.
»Und was hast du genau erfahren?«
»Ich habe meine Mutter gesehen und auch meinen Vater.«
Die Antwort hatte mich nicht viel weiter gebracht. »War deine Mutter plötzlich hier?«
»Das war sie.«
»Aha.« Ich staunte. »Und dein Vater war auch dabei? Du hast ihn gesehen?«
»So ist es.«
»Was haben die beiden denn zu dir gesagt? Welchen Rat haben sie dir gegeben?«
»Es waren keine zwei Personen.«
Ich hatte die Worte zwar gehört, musste
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