1843 - Die Falle der Sensenfrau
und sich immer anders gab.
Suko und ich gingen den Weg. Wir bewegten aus auf einem Gehsteig und ließen den Verkehr an uns vorbeifließen. Es sah alles normal aus, dennoch hielten wir die Augen offen, denn wir wollten jede Veränderung so schnell wie möglich wahrnehmen.
Von Raniel sahen wir nichts. Auch nicht, als wir in die Höhe schauten, denn es konnte gut sein, dass er über uns schwebte. Aber da war nichts zu sehen.
»Was meinst du, John? Wird alles so ablaufen, wie Raniel es sich gedacht hat?«
»Das hoffe ich. Er meint es ja nicht schlecht. Er und ich, wir sind immer gut zurechtgekommen.«
»Dann hoffe ich, dass es so bleibt.«
Wenn ich mich selbst fragte, wie es mir ging, so musste ich gestehen, dass ich mich jetzt besser fühlte, denn ich wusste nun, dass Ignatius in Sicherheit war. Es war riskant gewesen, ihn aus dem Krankenzimmer zu entführen, aber immer noch besser, als ihn ohne Schutz allein zu lassen.
Wir sahen die Engelsburg deutlich vor uns. Das war auch kein Wunder, denn sie wurde angestrahlt. Das galt auch für das mächtige Kuppeldach mit der Statue des Erzengels Michael als Krönung. Er thronte dort oben wie ein Held, und ich wusste, dass diese Figur erst später entstanden war.
Das Bild sah toll aus. Der Himmel schimmerte in einem dunklen Blau und direkt hinein strahlte das Licht der Scheinwerfer und erzeugte helle Inseln.
Wir waren fast da. Jetzt galt es, auf die Mauer zu gelangen, und das würde ein Problem werden. Wir gingen ein Stück an der Mauer entlang, denn der Eingang war natürlich geschlossen.
Suko schaute mich an und massierte dabei sein Kinn. »Also, gut sieht das nicht aus.«
»Ich weiß.«
»Wir sollten einmal um die Burg herumgehen«, schlug mein Freund vor.
»Das ist nicht nötig!«
Plötzlich war die Stimme da, und sie gehörte Raniel, der wie vom Himmel gestürzt neben uns stand.
Er nickte uns zu. »Alles klar?«
»Nein«, sagte ich.
»Warum?«
»Weil wir nicht wissen, wie wir auf diesen Wehrgang kommen sollen. Wir haben keine Treppe gesehen.«
»Die gibt es auch nur von innen.«
»Toll. Das hättest du uns auch früher sagen können.«
Er ging nicht auf meine Bemerkung ein und sagte: »Ich habe sie gesehen, sie sind hier. Die Burg ist für Sariel sehr wichtig.«
»Warum?«
Raniel lachte. »Er will sie zu seiner Burg machen. Er würde am liebsten die Figur des Erzengels zerstören und sich selbst dort hinstellen, um gehuldigt zu werden.«
»Auch das noch.«
»Und wo steckt er jetzt?«, fragte Suko.
»Ich bringe euch in seine Nähe. Dann werden wir uns trennen. Ich will nicht, dass Sariel den Erzengel oben auf der Kuppel zerstört. Deshalb werde ich ihn bewachen. Wenn er herausfindet, dass ihr in seiner Nähe seid, dann wird er euch vernichten wollen. Aber darauf seid ihr ja eingestellt.«
»Das wird auf der Mauer ablaufen?«
»Wo sonst? Auf diesen Wehrgängen haben schon unzählige Kämpfe stattgefunden. Dort sind schon viele Menschen gestorben.«
»Dann müssen wir nur noch oben sein«, sagte ich.
Raniel lächelte. »Das ist kein Problem.« Er streckte seine Arme aus. Wir wussten, was diese Geste bedeutete. Suko umfasste die eine Hand, die andere gehörte mir.
Beide wussten wir, wozu der Gerechte fähig war. Auch er konnte Dimensionen und selbst feste Hindernisse wie Mauern überwinden.
Wir spürten den Wind in unseren Gesichtern. Raniel schaffte uns auf den Wehrgang der Mauer. Wir spürten beide den Ruck, als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Raniel war noch da. Er stand vor uns und lächelte.
»Alles klar?«
Ich schaute in sein markantes Gesicht und nickte. »Ja, es ist alles klar.«
»Dann wünsche ich euch viel Glück.« Mehr sagte er nicht. Er drehte sich um und ging.
Suko und ich schauten ihm nach. Der Gerechte war schon etwas Besonderes. In diesen Momenten war ich froh, ihn zum Verbündeten zu haben, auch wenn er nur aussah wie ein Mensch.
Wir hatten unten in der Nähe des Flusses den schwachen Wind gespürt, und dieser Wind wehte auch hier oben. Nur war es nicht mehr so schwach, sondern deutlich spürbar. Er brachte zahlreiche Gerüche mit.
Aber es gab auch noch etwas anderes, das uns entgegenwehte.
Ein Geräusch. Es entstand, wenn jemand ging und seine Füße hart aufsetzte. Beide fuhren wir herum. Und beide sahen wir die Gestalt, die auf uns zukam.
Es war nicht Sariel, sondern dessen Sohn Julian!
***
Zu überrascht waren wir nicht, denn damit hatten wir eigentlich gerechnet. Wir wunderten uns nur darüber,
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