1849 - Der Unheilbringer
war der Glatzkopf, der von ihr angesprochen wurde und die Worte wohl verstand.
Ich warf einen Blick nach links. Dort stand die Cavallo. Auch sie starrte durch die Scheibe, aber sie sah aus, als würde ihr nicht gefallen, was sie sah.
Ich sprach sie an und wollte sie auch ein wenig provozieren. »Du sagst ja nichts, meine Liebe.«
»Halts Maul!«
Ich musste lachen. Auch über die Cavallo. Sie konnte es nicht begreifen. Es passte nicht in ihr Weltbild. Sie hatte gedacht, dass das Blut schon geflossen war, und hätte sich ein anderes Bild gewünscht.
»Sinclair, ich denke immer noch daran, dass wir ein sauberes Ende hinbekommen.«
»Tatsächlich?«
»Vielleicht nicht jetzt, aber ein anderes Mal. Wir sind ja beide nicht aus der Welt.«
»Dieses Kapitel ist für mich beendet.«
»Wenn du dich da mal nicht täuschst«, sagte sie.
»Ach. Wie meinst du das denn?«
»Schau doch in das Zimmer. Was ist passiert? Nicht viel. Mein Verbündeter kniet am Boden. Er hört zu, was man ihm sagt. Er tut den beiden nichts.«
»Wo er doch nach ihrem Blut gieren muss.«
»Das stimmt. Aber auch er kann Situationen einschätzen. Er spielt mit den beiden, bis er dann zuschlägt.«
Überzeugend hatte es sich nicht angehört. Ich wusste auch nicht, wie die beiden Jugendlichen es schafften, sich den Blutsauger vom Leib zu halten. Erlebt hatte ich das noch nie, und mir war wirklich schon einiges widerfahren.
Ewig würden wir hier nicht beobachten. Es musste schon etwas passieren.
Ich spürte die Blicke der blonden Bestie und drehte mich nach links.
Sie wollte etwas sagen, das sah ich ihr an, doch da zuckte es plötzlich in ihrem Gesicht.
»Nein«, keuchte sie, »das ist nicht wahr …«
Justine starrte wieder durch das Fenster, und das tat ich jetzt auch, und ich sah, was sich im Zimmer abspielte.
Jemand hatte es betreten, und diesen Menschen kannte ich wie keinen anderen.
Es war Suko!
***
Nach zwei Schritten war Suko stehen geblieben, um zu lauschen.
Da sprach tatsächlich jemand.
Aber diesmal war es nicht mehr die Stimme eines Jungen, sondern die eines Mädchens. Was sie sagte, hörte Suko nicht, aber es war ihm klar, dass ein Mädchen sprach.
Für ihn bestand keine unmittelbare Gefahr, deshalb ließ er sich Zeit und zog seine Peitsche aus dem Gürtel. Der Stiel war kurz und handlich und unten offen.
Suko schlug den berühmten Kreis über dem Boden, und so konnten die drei Riemen aus Dämonenhaut hervorrutschen.
Jetzt war er kampfbereit.
Und so ging er weiter.
Die Stimme des Mädchens wies ihm den Weg. Dann sah er die Tür. Sie lag nicht weit von einer Treppe entfernt, die nach oben führte. Jetzt verstand Suko sogar einige Worte, die das Mädchen sprach.
Er konzentrierte sich.
Wenn ihn nicht alles täuschte, war das Mädchen dabei, ein Gebet zu sprechen. So hörten sich die Worte an, und wer das tat, der musste sich in Bedrängnis befinden.
Suko riss die Tür auf. Sein Blick fiel in den Wohnraum, und er sah sofort, was sich hier abspielte.
Auf der Couch saß ein Mädchen und betete. Vor der Couch auf dem Boden hockte ein Junge, dem die Angst ins Gesicht geschrieben stand. Und dann gab es noch einen, der zwischen Couch und Fenster kniete.
Es war der Blutsauger. Dieses massige Wesen, das die Veränderung gespürt hatte.
Der Kopf des Vampirs zuckte hoch.
Für nicht mal die Dauer von einer Sekunde sah Suko das schreckliche Gesicht mit dem weit aufgerissenen Maul. Länger brauchte er sich das Bild nicht anzuschauen.
Ansatzlos schlug er zu!
***
Und es war ein Volltreffer, denn Suko beherrschte seine Dämonenpeitsche perfekt.
Am Kopf wurde der Vampir getroffen. An der Schulter ebenfalls und auf der Brust. In der Dämonenpeitsche steckte eine sagenhafte Kraft, und das bekam nun der Schwarzblüter zu spüren.
Er schrie.
Nein, er brüllte, weil er Schmerzen hatte. Und diese Schmerzen wurden ihm von der Peitsche zugefügt. Es war, als hätte jemand ihm Säure auf die Haut geschüttet. Und die brannte sich jetzt immer tiefer in seinen Körper hinein.
Er fiel auf den Rücken. Er hob die Beine an und trampelte damit in der Luft. Er schrie nicht mehr, denn jetzt waren die Schmerzen so groß, dass er nur noch wimmern konnte.
Wo ihn die Riemen getroffen hatten, löste sich die Haut auf. Die Wunden wurden immer tiefer. Es fing an zu brodeln, und der Geruch von faulendem Fleisch durchdrang die Luft.
Suko wusste, dass er kein zweites Mal zuschlagen musste. Er konnte sich jetzt um das Mädchen und den Jungen kümmern.
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