1849 - Der Unheilbringer
dunkle. Er würde Blut trinken. Sogar von zwei Personen.
Er ging auf die Knie.
Timmy hörte das Geräusch des Aufpralls und zuckte dabei zusammen. Der übergroße Kerl machte es sich bequem. Wenn er kniete, kam er besser an seine Opfer heran, denn große Anstrengungen liebte er nicht.
Timmy starrte in das Gesicht mit der grünlichen Haut. Der Mund stand weit offen, sodass die beiden Hauer freilagen.
Timmy senkte den Blick. Er wollte die Hände des anderen sehen, und er sah sie auch. Das waren keine normalen Hände, sondern regelrechte Pranken, mit denen er leicht Hälse zudrehen konnte. Wenn die einmal zupackten, war der Feind oder die Beute verloren.
Timmy wusste nicht, was er noch tun sollte. Er atmete schwer.
Und da war plötzlich etwas in seinem Kopf, das er eigentlich schon vergessen hatte.
Die Stimme.
Die Erinnerung daran, was ihm seine Mutter sagte, wenn es ihm nicht gut ging. Oft hatte sie an seinem Bett gesessen, ihn angeschaut und mit ihm gesprochen. Diese Worte kamen ihm jetzt in den Sinn.
»Immer wenn es dir ganz schlecht geht, dann denke daran, dass es einen gibt, der dich nie im Stich lässt. Der jeden Menschen im Auge hat. Auch wenn es manchmal nicht so aussieht. Aber ich weiß es besser, denn ich bin deine Mutter.«
Der Junge hatte dann immer mit seinen Blicken am Gesicht der Mutter gehangen.
»Nie vergessen, der liebe Gott vergisst auch dich nicht. Er ist immer da, er sieht alles. Du kannst mit ihm in einen direkten Kontakt treten. Das geht über das Gebet. Du musst beten, Timmy, dann wird der liebe Gott dich erhören …«
Beten!
Jetzt schoss ihm der Begriff durch den Kopf. Ja, das Gebet. Es hatte ihm schon oft geholfen. Das wusste er. Und jetzt? Es war, als hätte ihm jemand die Hände geführt. Sie glitten aufeinander zu, sie berührten sich, sie legten sich zusammen, und das war der Augenblick, als der Unheilbringer einen scharfen Laut ausstieß. Er wollte angreifen.
Das sah der Junge nicht mehr, denn er hielt den Kopf gesenkt und sprach die ersten Worte eines Gebets …
***
Die Cavallo wollte mich sehen!
Ich war nicht mal überrascht, dass sie dies vorhatte. Sie fühlte sich in ihren Aktivitäten gestört. Was immer sie auch wollte, sie brauchte keinen Störenfried, und das war ich nun mal.
Die Nacht und die Umgebung hier waren für sie ideal. Es liefen zahlreiche Vampire herum, denn diese Wesen hatten noch immer ihren ureigenen Reiz. Besonders dann, wenn sie immer wieder in diversen TV-Serien auftauchten.
Ich rollte durch den Ort. Viel gab es da nicht zu fahren. Bei ihm waren die beiden Hochhäuser am auffälligsten. Sie ragten wie fleckige helle Türme in die Höhe und waren in der klaren Nacht deutlich zu erkennen. Am Himmel war kein Mond zu sehen. Er hätte die Kulisse perfekt gemacht.
Die Cavallo hatte mir den Weg beschrieben, ich hatte mir ihre Worte eingeprägt. In den Rückspiegel schaute ich auch, weil ich sehen wollte, wie sich Suko verhielt. Er wollte mir folgen, aber die Scheinwerfer eines Autos sah ich nicht hinter mir. Suko hätte auch ebenso gut zu Fuß laufen können, denn so langsam rollte ich durch den Ort. Ich musste auch achtgeben, denn immer wieder liefen mir die Verkleideten vor die Kühlerhaube, sodass ich gezwungen war, abzubremsen.
Aber ich erreichte auch das Gebiet, wo sich der Ort allmählich verlor. Die Häuser wurden weniger und sie standen auch weiter auseinander. Ich war bald da.
An die rechte Seite musste ich mich halten. Ich fuhr noch langsamer und schaute dorthin. Es war nicht viel zu sehen. Der größte Teil des Geländes lag brach, aber dann sah ich doch ein Haus. Es stand wirklich etwas abseits. Und es lag nicht völlig im Dunkeln, denn in seinem Innern brannte Licht.
Das war mein Ziel.
Ich fuhr so weit, bis ich die Höhe des Hauses erreicht hatte.
Dort hielt ich an.
Sekunden ließ ich verstreichen, um mich zu orientieren. Ich entdeckte nichts, was mir hätte gefährlich werden können. Offen wurde ich nicht erwartet.
Es konnte sein, dass im Haus jemand lauerte, aber das würde sich noch herausstellen. Dann öffnete ich die Tür und stieg aus. Die durch das Halloween-Fest verursachte Unruhe im Ort war hinter mir zurück geblieben. Hier am Rand erlebte ich die Stille, die aber auch gefährlich sein konnte. Da machte ich mir nichts vor.
Ich ging einen langen Schritt vom Wagen weg, blieb dann stehen und schaute mich um.
Niemand wartete auf mich. Ich stand allein in der Stille und hätte eigentlich wieder verschwinden können, doch
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