186 - Seelenjagd
niemand auch nur eine Null zu streichen.
Man biß in den sauren Apfel und beglich die vorgelegten Rechnungen, ohne eine der Ausgaben zu kritisieren. Selbstverständlich hatte Losskowskij viele Neider.
Sie würden so lange stumm bleiben, wie seine Erfolgsserie anhielt. Beim ersten Versagen würden sie laut werden. Sie warteten schon ungeduldig auf diesen Moment.
Vorläufig stand Alexej Iwanowitsch Losskowskij jedoch noch im vollen Licht des Erfolgs. Er hatte im vergangenen Monat in Istanbul einen Doppelagenten zur Strecke gebracht, nachdem er ihn um die halbe Welt jagte.
Die Sache hatte eine Menge Staub aufgewirbelt. Heftige Diplomatentätigkeit hatte hinterher eingesetzt, und in Moskau war man sich einig gewesen: Alexej Iwanowitsch Losskowskij ist unser zuverlässigster Mann.
Der KGB-Killer lag auf dem breiten Bett seiner Hotelsuite und rauchte eine lange amerikanische Zigarette. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, eine Rolex. Niemand sollte denken, Rußland wäre ein armes Land.
Fast schon Mittag. Es war Zeit, sich um Pjotr Wissarionowitsch Obrasimow zu kümmern.
***
Überrascht betrachtete ich den Toten. Er hatte kein Gesicht mehr, sah überhaupt nicht mehr wie ein Mensch aus. Ich riß das weiße Laken von seinem Körper.
Thomas McCarthy glich einer aufblasbaren Puppe!
Aber die dünne, glasklare Kunststoffhaut war nicht mit Luft, sondern mit einer schwefelgelben Flüssigkeit prall gefüllt. Den Mann, dem Calarb die Seele entrissen hatte, gab es nicht mehr.
Ich beugte mich tiefer zu dem, was aus Thomas McCarthy geworden war, hinunter.
Ob dieses geheimnisvolle Etwas auf meinen magischen Ring reagierte? Ich wollte es versuchen. Gespannt ballte ich meine Hand.
Während sich mein Ring der durchsichtigen Hülle näherte, hielt ich den Atem an. Der schwarze Stein, der die Form eines Drudenfußes hatte, berührte den »Kunststoff«.
Und im selben Moment begriff ich, daß ich das lieber nicht hätte tun sollen…
***
Alexej Iwanowitsch Losskowskij wußte, wo der Maestro probte. Ihm war auch bekannt, wann die Probe zu Ende war. Das Timing stimmte, der KGB-Killer brauchte sich nicht zu beeilen.
Pjotr Wissarionowitsch Obrasimow würde noch Zeit für eine halbe Flasche Krimsekt bleiben, dann würde er sich für immer von dieser Welt verabschieden.
Losskowskij schob seine Pistole in die Schulterhalfter. In seiner Hosentasche befand sich der klobige Schalldämpfer, den er benützen würde.
Man würde den toten Dirigenten erst finden, wenn sich sein Killer bereits in Sicherheit befand. Gelassen verließ Losskowskij das Hotel.
Er brauchte kein Taxi, hatte bei seiner Ankunft am Flughafen einen schwarzen Ford Sierra gemietet. Er kannte sich aus in London, war nicht zum erstenmal hier.
Das letztemal hatte er in dieser Stadt vor zwei Jahren einen heiklen Auftrag erledigt: Ein Diplomat aus der Dritten Welt sollte für sein jahrelanges falsches Spiel »belohnt« werden. Losskowskij hatte den Auftrag mit sehr viel Fingerspitzengefühl - und mit einem äußerst seltenen Gift, das sich im Körper des Toten nicht nachweisen ließ - erledigt.
Bis heute war die Todesursache des Diplomaten nicht geklärt.
Zwei Blocks von der Konzerthalle entfernt, ließ der KGB-Killer den schwarzen Sierra stehen.
Er betrat das große Gebäude durch eine Hintertür, deren Schloß er mühelos knackte. Ein leichtes Prickeln ging durch seine Adern. Er stand jetzt, wie immer, wenn er solche Aufträge erledigte, unter Strom.
In einem dämmrigen Flur angelte er die Pistole aus der Schulterhalfter und schraubte den Schalldämpfer auf die Waffe. Dann setzte er seinen Weg fort.
Der Tod kam auf Pjotr Wissarionowitsch Obrasimow zu!
***
Ich hatte einen Fehler gemacht, war zu nahe an den »Toten« herangetreten, hatte mich zu weit über ihn gebeugt. Mein magischer Ring brachte die durchsichtige Hülle zum Platzen.
Der prall gefüllte »Körper« wurde von der geheimnisvollen Kraft, die sich in ihm befand, zerrissen.
Und die stinkende schwefelgelbe Brühe stürzte sich wie eine Springflut auf mich, klatschte mir ins Gesicht und gegen meinen Körper, durchdrang meine Kleidung und näßte meine Haut.
Doch damit nicht genug, begann die Flüssigkeit zu brennen und zu beißen. Meine Haut dampfte, als hätte ich ein Säurebad genommen.
Trotz der teuflischen Schmerzen fiel mir auf, daß die schwefelgelbe Flüssigkeit sehr schnell verdampfte. Gleichzeitig löste sich die Haut, die aufgeplatzt war, auf.
Wäre sie auch geplatzt, wenn ich sie nicht
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