1869 - Gesang der Kleinen Mütter
Sul und seine Herreach blieben im Hangar; die Trance war abrupt unterbrochen worden, aber sie warteten ab. Sobald sich wieder eine Gelegenheit ergab, würden sie loslegen.
Aus dem Jäger war ein Gejagter geworden. Wie sollte ein einzelnes Schiff einer riesigen Flotte von tausend Feinden entkommen können?
„Welche Mühe sie sich machen", knirschte die Kommandantin. „So viele Schiffe nur für uns - wir sollten uns geehrt fühlen! Bei der FARGO waren es ja nur einhundert."
Sie wollen uns eben unter gar keinen Umständen entkommen lassen, fügte sie in Gedanken hinzu. Ihr war bewußt, daß die VULPECULA keine Chance mehr hatte.
Die Tolkander hatten das Überraschungsmoment voll auf ihrer Seite gehabt. Es war wie eine sorgfältig vorbereitete Falle gewesen.
Nein, keine Falle, korrigierte Nora sich selbst. Das haben sie doch gar nicht nötig. Sie sind jetzt einfach gewarnt. Ist eine Kleine Mutter zu schwach, ruft sie einfach um Hilfe. Ihre Herztöne sind über Hyperfrequenzen überall in der Galaxis zu hören gewesen, erwiesenermaßen vor allem von den Chaerodern, die diese Lockrufe verstanden haben. Nur wir haben wieder anal zu langsam geschaltet und versagt.
„Wir müssen um Hilfe rufen!" rief jemand.
„Das automatische Notsignal ist längst eingeschaltet!" sagte die Kommandantin. „Bleibt gefälligst auf euren Posten, Leute! Noch ist nicht aller Tage Abend. Auch wenn die Übermacht unendlich erscheint, könnte das zu unserem Vorteil werden. Wir müssen sie gegeneinander ausspielen! Ich brauche nur eine winzige Lücke, um durchzukommen und endlich Platz zum Beschleunigen zu finden."
Sie verstand etwas von ihrem Handwerk, und sie verstand etwas von Listenreichtum.
Bisher war kein einziger Schuß gefallen. Die Igelschiffe hetzten die VULPECULA, die sich wiederum immer wieder geschickt dem Zugriff entzog.
Unter normalen Umständen wäre es der Kommandantin wahrscheinlich sogar gelungen zu entkommen.
Sie setzte dermaßen waghalsige Manöver ein, daß der Syntron kaum mehr mit Warnungen fertig wurde. Doch sie besaß die Priorität, nicht die Maschine, und setzte sich einfach kühn darüber hinweg.
Die Mannschaft begann sogar Hoffnung zu schöpfen.
Es ging so lange gut, bis die Tolkander den Tangle-Scan einsetzten.
Schreiend brachen die Galaktiker zusammen. Nora Flaving fühlte, wie ihr das Blut aus der Nase schoß, aber sie kämpfte sich zäh wieder in die Höhe. Ihre Finger krallten sich so sehr in den Kontursessel, daß die Finger weiß wurden. Mit schier übermenschlicher Kraft zog sie sich an dem Sessel hoch und ließ sich hineinfallen.
Dann versuchte sie, dem Syntron weitere Befehle zu geben. Ihre Hände zitterten jedoch so stark, und die Schmerzen in ihrem Kopf waren so furchtbar, daß sie für eine einzelne, noch so kleine Bewegung mehrere Sekunden brauchte.
Jedes Fingerzucken vermittelte ihr das Gefühl, durch ein Eismeer zu rasen und dabei von Millionen Eisnadeln zerstochen zu werden.
„Marco", stöhnte sie in den Funk, „gib Feuer ..."
Sie erhielt keine Antwort und erwartete auch keine mehr. Rotglühende Sonnen zerstoben vor ihren Augen zu grellen Funkenregen.
„Syntronsteuerung ...",brachte sie als letztes Wort heraus.
Der Syntron, angesichts der Gefahr und der plötzlich fehlenden Befehlseingabe, hatte die Steuerung der VULPECULA ohnehin bereits übernommen.
Aber durch die fehlende Führung durch ein organisches, impulsives Lebewesen entgingen ihm die Chancen, sich aus der Gefahr herauszuwinden. Er feuerte aus allen Rohren, traf jedoch aufgrund des „Stotterantriebs" der Igelschiffe so gut wie nie. Zwar besaß er den 5-D-Indifferenz-Kompensator, der trotzdem eine Zielanpeilung ermöglichte, aber als einzelnes Schiff gegen tausend feindliche genügte das nicht.
Selbst mit dem Kompensator brauchten die Galaktiker eine zahlenmäßige Übermacht den Tolkandern gegenüber.
So traf die VULPECULA hin und wieder, und das eine oder andere Igelschiff explodierte.
Währenddessen aber konzentrierten die Tolkander ihr Feuer voll auf den stolzen Raumer.
Der untere Hangar, in dem sich die Herreach befanden, wurde als erstes von dem Dauerfeuer zerstört.
Die Herreach bekamen das zum Glück nicht mehr mit; im Verlauf eines Sekundenbruchteils war ihr Leben erloschen, und ein paar wenige noch als Herreach erkennbare Körper trieben in den Weltraum davon.
Als nächstes war die Südpolregion mit dem Antriebsbereich dran; um die Waffen kümmerten sich die Tolkander überhaupt nicht.
Schließlich
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