1894 - Das vergessene Volk
erleben müssen! Doch wir ertragen es, wie wir immer alles extragen haben. Aber wir werden verhungern, an Mangel eingehen - wie sollen wir lernen, das zu ertragen? Sollen wir unsere Körper ablegen und zu Geister-Irrwischen werden, die weder im Tod-Erleben aufgehen noch im Nichts? Nur damit die Erinnerung an uns erhalten bleibt und an die Archive in den Tetragonalen?"
„Keudin, sollen wir ewig Wächter bleiben, wie ein Fluch?"
Harte Vorwürfe. Ich weiß nicht mehr, wer sie vorgebracht hat, aber sie waren wahr. Doch es traf mich trotzdem, es schmerzte mich. Denn es machte mir unsere Verzweiflung um so deutlicher.
„Deswegen habe ich euch zusammengerufen", sagte ich. „Denn nun haben wir keine andere Wahl mehr, als die Archive aufzusuchen. Irgendeine Möglichkeit muß es dort geben, den Seelenhirten zu rufen und ihn um Hilfe zu bitten. Sonst können wir nichts mehr tun."
*
Und so haben wir es beschlossen. Wir alle haben schreckliche Angst, denn auch wenn der Weg nicht weit ist, so sind wir doch bereits sehr geschwächt, und es wird uns sehr viel Kraft kosten. Aber wir dürfen uns nicht einfach aufgeben.
Es fällt mir sehr schwer, diese letzten Zeilen zu schreiben. denn ich fühle mich schwach, meine Gedanken schweifen ständig ab, und auch ich habe große Angst. Wir wissen nicht, ob auf dem kurzen Weg nicht schon Gefahren auf uns lauern. Wir wissen nicht, ob wir einen Weg zu unserer Rettung finden.
Wir wissen nicht einmal, ob wir überhaupt wieder zurückkehren können. Wenn uns die Kraft verläßt ...
Sie rufen mich. Prurro erscheint am Eingang, sie bittet mich zu kommen.
„Laß doch endlich das Schreiben", tadelt sie mich. „Niemand wird sich je dafür interessieren. Halte dich lieber an die Lebenden. Rufen wir den Seelenhirten, damit er sich davon überzeugen kann, was uns angetan wurde."
„Es geschah sicherlich nicht mit Absicht, Prurro", sage ich. „Wir dürfen uns nicht so wichtig nehmen.
Dennoch habe ich das Bedürfnis, etwas von uns zurückzulassen, sollten wir scheitern. Ich habe hier alles über uns aufgeschrieben, wenn ich mich recht erinnere. Auch, was wir brauchen - sollten wir zu schwach sein, um zurückzukehren, aber noch vor dem Tode gefunden werden. Wir dürfen diese Hoffnung einfach nicht aufgeben."
„Aber jetzt bist du doch fertig?"
„Ja, meine Tochter."
In der Tat, das bin ich. Die paar Augenblicke können sie sich noch gedulden.
Ich darf nicht vergessen, meine Tür zu verschließen und die anderen daran zu erinnern. Es wäre doch ein Hohn, wenn wir in der Hoffnung zurückkehren, bald Hilfe zu bekommen, und dann wartet die Brut des Shh’taterone in unseren behaglichen Heimen auf uns.
Sie rufen erneut, ja, ich weiß. Ich beeile mich ja schon, doch es fällt mir schwer, nun den Stift aus der Hand zu legen.
Wir werden jetzt gehen. Ein ungewisses Schicksal erwartet uns.
Möge das Sternlicht unseren Weg beleuchten!
5.
Das Uralte Archiv „Wir sollten uns als erstes dem Glossar zuwenden", schlug Siebenton vor.
Ihm war die Enttäuschung seiner Gäste nicht entgangen. Sie hatten sich von dem Archiv sehr viel mehr erwartet.
Doch gab es nur diesen einen Raum, nichts sonst. Seit sehr langer Zeit hatte dieses Archiv den Ansprüchen der Seelenhirten genügt.
Doch eines stimmte vielleicht: Wenn es ein Volk der Baolin-Nda gab oder gegeben hatte, das angeblich im Himmelreich existierte oder existiert hatte weshalb war ihm das nicht bekannt? Er erinnerte sich wohl dunkel an ein Volk namens Baolin, hatte jedoch damals in der Eile nicht den richtigen Hinweis gefunden. Die Nennung der Fremden hatte etwas in ihm wachgerüttelt, deshalb war er sofort zu ihnen gereist.
Es war nur ein Gefühl, abdr Siebenton war sicher, daß die Besucher aus der anderen Galaxis, die Baolin und das Erlöschen des Sternlichts in unmittelbarem Zusammenhang standen. Alles andere wäre ihm doch als zu großer Zufall erschienen, und in seinem bisherigen Leben hatte der Seelenhirte gelernt, daß gerade der Zufall sehr selten eine tragende Rolle spielte.
Schon die erste Begegnung mit seinem Mentor und der einstigen großen Liebe Walyon war nicht einfach zufällig geschehen. Es war eine Fügung des Schicksals. Vielleicht auch ein großer Plan des Sternlichts oder der Mächte, die dahinterstanden. Vielleicht hatte man ihn nur prüfen wollen, vielleicht war alles eine Prüfung für die ganze Galaxis?
Alles hatte sich damals auf jeden Fall so gefügt, daß Siebenton bereits als junger Frau die Chance
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