1899 - Katastrophe im Deltaraum
Filter in die Zentrale der Technobox hinein. Tautanbyrk erfuhr von Viviaree, daß der Durchmesser der „Kugel" 190 Kilometer betrug.
Sie sprach zu einem Computer. Tautanbyrk konnte ihre Worte kaum verstehen. Meist sprach sie in Zahlen, wahrscheinlich Kodes. Der Tessma-Designer hatte das Gefühl, daß sie dabei gar nicht wirklich zu dem Computer redete, sondern zu dem Tor und daß ihre Kodes dort irgend etwas bewirkten. Aber das war sicherlich Unsinn. Wahrscheinlich gab es dort draußen eine versteckte Station, mit der sie korrespondierte.
„Man könnte im weitesten Sinne sagen, daß ich etwas vermesse", erläuterte Viviaree lächelnd, als sie seine Verwirrung bemerkte. „Und das war es auch schon für heute. Ich bringe dich zu deinem Kollagen zurück.
Wann kann ich mich wieder wegen der Sessel bei dir melden?"
„Ich melde mich bei dir, wenn ich darf", sagte er schnell. „Ich werde mich beeilen."
„Das ist lieb von dir", antwortete sie mit einem so offenen Lächeln, daß er zu hoffen wagte, daß die Sympathie gegenseitig war. „Wie kann ich dir dafür danken?"
„Vielleicht ... könnten wir uns einmal treffen?" fragte er, indem er allen Mut zusammennahm. „Ich reine, ich würde gerne mehr über dich erfahren, nicht nur über die Arbeit ..."
Er wußte, daß er unbeholfen wirkte. Es war das erstemal, daß er eine Baolin-Nda um eine Verabredung bat, und für einen schlimmen Moment dachte er schon, daß er es falsch angefangen habe.
Doch sie lächelte weiter und nickte dabei. „Wir werden sehen, Tautanbyrk. Ich gebe dir den Kode, über den du mich jederzeit und überall erreichen kannst. Melde dich, wenn du soweit bist, und ich zeige dir meine Lebensinsel, auf der ich mit meiner Familie wohne."
„Hast du ... einen Partner?" fragte er.
„Nein, Tautanbyrk. Dafür hatte ich noch keine Zeit. Weshalb fragst du ...?"
*
Sie hatte genau gewußt, warum er gefragt hatte. Da war er sicher. Spielte sie etwa mit ihm? Hatte sie ihren Spaß an seiner Unsicherheit?
Ach was, sagte er sich. Die Hauptsache ist, daß wir uns Wiedersehen werden. Und er arbeitete, diesmal parallel zu seiner normalen Beschäftigung, an ihren beiden Sessel-Tessma, die nach den von ihr vorgegebenen Wünschen in ihren Kokons heranwuchsen. Tag und Nacht dachte er an ihr Treffen, ihren Kode kannte er längst auswendig. Doch dann geschah etwas, das alle seine diesbezüglichen Hoffnungen zunichte machte.
Er wurde zu Krapohl bestellt, und sein Vorgesetzter offenbarte ihm, daß sich Kuntherherr bei ihm gemeldet habe, um Tautanbyrk anzufordern. Diesmal also wählte der Dritte Bote nicht den direkten Weg, wohl weil er ahnte, daß Tautanbyrk nicht reagieren würde, sondern den über die Mächtigeren. Krapohl hatte natürlich die gleiche Ehrfurcht vor dem Hochtechniker wie Tautanbyrk noch vor Jahrzehnten, und er machte deutlich, was er von seinem Tessma-Designer erwartete.
„Deine Arbeit kann Roganwerg für dich. weiterführen", erklärte er. „Du aber wirst dich morgen unverzüglich nach ULTIST begeben und hören, was Kuntherherr von dir will. Kannst du es dir vielleicht denken?"
„Ja", sagte Tautanbyrk zerknirscht. „Er will, daß ich wieder für ihn arbeite. Aber ich möchte es nicht.
Ich bin ein freier Baolin-Nda!"
„Damit hast du recht, Tautanbyrk", sagte Krapohl. „Aber möchtest du, daß unser Kollagen in ...
Schwierigkeiten gerät? Daß es uns allen, deinen Freunden und Kollegen, schlechter geht, nur weil du dich weigerst?"
Die Drohung war deutlich genug. Tautanbyrk dachte an Viviaree und daß er sie so schnell nicht wiedersehen würde, wenn er sich nach Kuntherherrs Wünschen richtete - vielleicht sogar nie mehr.
Andererseits mußte er an seine Freunde denken. Es war zum Verzweifeln. Alles in ihm sträubte sich dagegen, aber früh am nächsten Tag stand er vor dem Transmitter, der auf ULTIST justiert war, und trat hindurch.
Er hatte recht gehabt. Kuntherherr empfing ihn gewohnt freundlich und erklärte ihm, daß er ihm nun Zeit genug gegeben habe, um sich zu besinnen und Abstand zu den Dingen zu gewinnen, die sich vor Jahren ereignet hatten. Jetzt solle er aufhören, den Beleidigten zu spielen, und sich lieber vor Augen führen, daß alles im Leben seinen Sinn habe - auch die vermeintlichen Zurückweisungen. Er stellte ihm plötzlich in Aussicht, daß er in ferner Zukunft einmal eine von drei wichtigen Positionen bekleiden könne: die Nachfolge Kuntherherrs als Dritter Bote und Hochtechniker, Verwalter der
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