19 - Am Jenseits
und überwältigt worden ist wie ein kraftloser Greis, dessen Schwachheit die einzige Eigenschaft ist, die ihm das Leben gelassen hat. Wir werden diese Niederträchtigkeit zurückweisen und bestrafen, und ich will haben, daß außer Omar Ben Sadek mein Gatte und mein Sohn es sind, in deren Hände man diese Aufgabe legt! Wir wollen nichts, gar nichts von diesen Menschen. Wir leisten Verzicht auf alles, was wir bisher errungen haben, sogar auf die gestohlenen und wiedererlangten Glieder. Wir kämpfen um sie; aber wer uns nach unserm Sieg noch als Diebe bezeichnet, den geben wir den Hyänen und Schakalen zu fressen. Ich, das Weib, habe gesprochen; nun mögen die Männer handeln!“
Sie trat zurück, um nun nur noch zuzuhören. Die Wirkung ihres unerwarteten Auftretens und ihrer, ich möchte sagen, flammenden Worte war eine tiefe, eine durchschlagende. Es war für einige Zeit rundum so still wie in einer Moschee, welche soeben erst geöffnet wird. Auch ich konnte mich diesem Einflüsse nicht entziehen. Im Grunde war ich allerdings ganz und gar nicht damit einverstanden, daß alles, was wir bis jetzt erreicht hatten, wieder auf das Spiel, oder richtiger gesagt, auf die Entscheidung der Waffe gesetzt werden sollte; aber es war für uns, die Männer, gradezu unmöglich, uns zu dieser mutigen, ehrliebenden und entschlossenen Frau in Widerspruch zu stellen, die nicht an ihre Gatten- und nicht an ihre Mutterliebe dachte, und sodann kannte ich ja die drei Personen, um welche es sich auf unserer Seite handelte, so genau, daß es mir nicht einfiel, Angst zu haben. Halef stellte seinen Mann wie selten einer, das wußte ich; Omar Ben Sadek hatte sich so oft bewährt, warum sollte dies nicht auch jetzt wieder geschehen? Seine körperliche und geistige Spannkraft war noch ganz dieselbe. Und Kara Ben Halef? Nun, er war zwar noch jung und konnte also keine so reiche Erfahrung hinter sich haben wie wir; aber er hatte in seinem Vater den besten Lehrmeister gehabt, den es für ihn geben konnte, und sooft ich bei den Haddedihn gewesen war, hatte auch ich ihn täglich und mit Fleiß vorgenommen und mich über seine Gelehrigkeit, Geschicklichkeit, Kraft und Ausdauer nicht nur stets zu freuen, sondern oft sogar zu wundern gehabt. Er hatte viele jener Griffe, Kniffe und Schlauheiten von mir gelernt, welche auch im ehrlichsten Kampf erlaubt sind und die eigentliche Übermacht über einen sonst ganz ebenbürtigen Gegner verleihen. Sein Vater war schon zu alt, als daß ich ihm diese Vorteile hätte beibringen können; ein desto geeigneterer Erbe war der Sohn geworden, und so hatte ich also auch keine Veranlassung, um Kara bange zu sein.
Niemandem konnte der Vorschlag Hannehs so willkommen sein wie dem Scheik der Beni Khalid, dem er die Hoffnung wiedergab, in den Besitz der kostbaren Gliedernachbildungen zu gelangen. Er wartete auch nicht, bis Halef, dem dies doch nun eigentlich zukam, das Wort wieder ergriff, sondern kam ihm zuvor:
„Also doch noch Kampf! Die Frau gibt den Männern den Mut! Und nicht nur um die Mekkaner soll es gehen, sondern auch um den Schatz der Glieder! Wahrscheinlich aber fehlt euch der Mut, ihn gegen uns einzusetzen!“
Es war, als ob Halef jetzt plötzlich ein ganz anderer geworden sei. Seine zornige Aufregung hatte nun, da es einen festen Entschluß und eine sichere Entscheidung für ihn gab, jener kalten Ruhe Platz gemacht, welche gegen den nicht so kalten Widersacher den Sieg verleiht. Es war ein selbstbewußtes, überlegenes Lächeln, welches um seine Lippen spielte, als er in beinahe gleichgültigem Tone antwortete:
„Ja, wir kämpfen auch um den Schatz der Glieder, und du sollst die Bedingungen vernehmen, von denen wir auf keinen Fall abgehen werden. Bis du mit ihnen einverstanden, so liegt es in euern Händen und an eurer Tapferkeit, uns wieder abzunehmen, was wir jetzt besitzen. Nimmst du sie aber nicht an, so bleibt es, wie es jetzt ist!“
„Dann heraus mit ihnen! Ich will sie hören!“
„Zuerst verlange ich, daß, die Entscheidung mag fallen wie sie will, alle Schimpf- und andere beleidigende Reden vermieden werden. Wir sind, nämlich ihr sowohl wie wir, Männer, aber keine Knaben, welche im Bewußtsein ihrer Ohnmacht Worte an die Stelle der Taten setzen.“
„Ich stimme bei!“
„Sodann findet der Kampf auf der da draußen liegenden Sandebene statt, wo kein Felsen deine Beni Khalid und meine Haddedihn hindert, zuzuschauen. Beide Stämme stehen einander gegenüber; die Zweikämpfe gehen in der
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