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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er es als der Würde eines Scheiks der Haddedihn nicht für angemessen gehalten habe, wie ein Gaukler unausgeführte Bewegungen vorzutäuschen. Er hatte recht!
    Er stand lange still und unbeweglich, wie aus Marmor gemeißelt, und ließ alle Zurufe von sich abprallen. Aber dann fuhr auch ganz plötzlich, gradezu gedankenschnell, sein Arm mit dem Speer empor; der so lange erwartete Wurf geschah, und der Dscherid flog in einem hohen Bogen so genau auf sein Ziel zu, daß der Ben Khalid verloren war, wenn er auf seinem Platz blieb. Aller Augen, außer den unserigen, waren auf die fliegende Waffe gerichtet, und niemand achtete in diesem Augenblicke auf Halef. Dieser sah, daß sein Gegner den Fuß hob, um sich durch einen Sprung nach rechts zu retten, und ließ darum schnell hintereinander auch die beiden übrigen Speere fliegen, sie um ein weniges nach dieser Richtung dirigierend. Die erste Lanze kam; und der Ben Khalid machte die vorausgesehene Bewegung des Ausweichens, doch kaum hatte er das getan, so fuhr ihm die zweite, ihn mit sich niederreißend, in den seitlich oberen Teil der Brust, und die dritte nagelte ihm den Arm fest in den Sand.
    Der Aufruhr, den dies bei den Beni Khalid hervorbrachte, ist nicht zu beschreiben. Der Sieger kümmerte sich nicht um diesen mehr als hörbaren Erfolg seiner Überlegenheit. Er kehrte so ruhig, wie er gegangen war, zu uns zurück und sprach da nur die Frage aus:
    „Hätte ich es besser machen können, Sihdi?“
    „Nein“, antwortete ich. „Du hast alle Erwartungen so vollständig erfüllt, daß ich dir danken muß. Komm, gib mir deine Hand!“
    Während ich sie ihm schüttelte, richtete er sein Auge auf Hanneh. Sie sah lächelnd zu ihm auf und sagte nichts als:
    „Ich wußte es!“
    Doch reichte sie ihm beide Hände hin, die er, sich zu ihr neigend, an seine Lippen zog. Dabei flüsterte er ihr zu:
    „Ich zeige auch sonst meinen Rücken keinem Feind; aber wenn ich dich bei mir weiß, dann wird aus deinem alten, tapfern Löwen eine ganze Löwenschar!“
    Auch der Basch Nazyr richtete das Wort an ihn:
    „Hadschi Halef, du hast mir den Schatz gerettet, denn nach dieser ihrer zweiten Niederlage haben die Beni Khalid keinen Anspruch darauf. Wahrscheinlich werden sie nun auf den dritten Gang verzichten.“
    Da entgegnete ihm Omar Ben Sadek, der sich schon bereitgemacht und seinen Oberkörper entkleidet hatte:
    „Das darfst du ja nicht denken. Du siehst, daß ich schon kampffertig bin. Dieser Gang wird ihnen zwar auf keinen Fall den Schatz der Glieder bringen, aber sie meinen, sich rächen zu können, darum darfst du sicher sein, daß sie nicht auf ihn verzichten werden.“
    Der Perser betrachtete den jetzt nicht mehr verhüllten Bau des Oberkörpers dessen, der dies sagte. Er schüttelte den Kopf und sprach:
    „Eure kriegerische Befähigung entdeckt man erst, wenn man euch ohne Hülle sieht. Du bist ja fast zweimal so breit wie ich!“
    „Das hast du noch nicht bemerkt?“ lachte Omar vergnügt.
    „Nein!“
    „So paß nachher auf, wenn ich den Ben Khalid aus den Angeln hebe! Wir haben von unserm Effendi einen wunderbaren Griff unter das Schlüsselbein gelernt. Dazu gebe ich einen Stoß in die andere Achselhöhle, fasse an der Seite herunter in das Fleisch und lege, wenn dies sehr schnell und mit voller Körperkraft geschieht, den stärksten Mann dann nieder in den Sand.“
    „Also das ist auch vom Effendi?“
    „Nein“, fiel ich da ein. „Nur den Griff unter das Schlüsselbein habe ich gezeigt; das andere hat Omar Ben Sadek hinzuprobiert und mir erst kurz vor unserer Reise gezeigt. Er ist also in Beziehung auf dieses Kunst- und Kraftstück mein Lehrer, und ich bin neugierig, ob ich es ihm nachmachen kann. Heut werde ich es zum erstenmal im Ernst ausgeführt sehen.“
    Da ertönte die donnernde Stimme des Scheiks Tawil:
    „Der Ringer her!“
    Ich stand sofort auf und ging hinüber zu ihm. Diese Art und Weise, uns anzuschreien, verdiente eine Lektion.
    „Bist du es denn, der ringen wird?“ fragte er mich, indem er mich mit seinen Augen durchbohren zu wollen schien.
    „Nein“, antwortete ich.
    „So pack dich fort! Hier haben nur die Ringer Platz.“
    „Bist du einer?“
    „Welche Frage! Ich doch nicht!“
    „So pack auch du dich fort!“
    „Ich befehlige den Kampf!“
    „Ich auch!“
    „Wer hat dir das erlaubt?“
    „Wer dir?“
    „Ich!“
    „Ich sage ebenso ‚Ich!‘ Du hast dir dieses Recht angemaßt, und wir sind dazu still gewesen, weil es dem Stärkeren

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