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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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übernahm ich die Antwort, indem ich mich dem Wütenden näherte und zu ihm sagte:
    „Du willst wirklich, daß wir dich erschießen?“
    „Ja, ich will; ich will!“ donnerte er mir zu.
    „Mach uns doch nichts weiß! Wir kennen dich da besser! Du bist ein so mutloser, feiger Kerl, wie ich fast noch niemals einen gefunden habe. Es ist dir ja nicht einmal in den Sinn gekommen, dich an dem Zweikampf um den Kanz al A'da zu beteiligen, obwohl du ihn für dich haben wolltest und also eigentlich der erste unter den Kämpfern hättest sein sollen! Das hast du nicht getan; ja, du hast es nicht einmal gewußt, daß du es tun solltest, und wer so wenig weiß, was ein mutiger Mann zu tun hat, der darf uns getrost schwach und furchtsam nennen, denn er versteht ja nichts davon! Was du jetzt zeigst, ist nicht Mut, sondern das Gefäß, in dem du Rache gegen den Scheik kochst, ist umgestürzt, und nun zischt und brodelt und dampft und stinkt sie auf und macht einen Lärm, der gar nichts weiter ist als eben bloß nur Lärm! Was du von unserer Liebe denkst, das kann uns ebenso gleichgültig sein, wie überhaupt alles, was du denkst. An dieser Liebe kannst du so wenig rühren, daß sie selbst zu deinem jetzigen Angriff, so viel Getöse er auch verursacht hat, nur lächelt. Er war noch törichter als ein Knabenstreich; der unerfahrenste Junge hätte ihn unterlassen. Wir erlauben dir, zu gehen, und geben dir unser Mitleid mit. Entferne dich!“
    Das Feuer seiner Wut war schon fast niedergebrannt; seine Haltung hatte schon nicht mehr das Herausfordernde wie vorhin. Jedoch bei meinem Wort Mitleid brauste er rasch wieder auf:
    „Euer Mitleid brauche ich nicht; behaltet es für euch! Ihr wollt euch also alles, was ich gesagt habe, ruhig gefallen lassen?“
    „Ja.“
    „Und schämt euch nicht vor euch selbst?“
    „Nein, nicht einmal vor dir!“
    „So wiederhole ich: Behaltet ja euer Mitleid für euch selbst! Und da ihr davon so sehr viel braucht, so lasse ich euch noch dazu das meinige zurück. Eure ‚Liebe‘ macht mir so unendlichen Spaß, daß ich, sooft ich an sie denke, die Tränen des Gelächters über sie vergießen werde!“
    „Lach' immerhin! Doch will ich dir auch etwas Ernstes mitgeben: Sei ja darauf bedacht, daß aus diesen Lachtränen nicht etwa Tränen der Reue und des Schmerzes werden! Die Liebe, welche dir jetzt so spaßhaft vorkommt, lächelt nicht immerwährend. Sie wohnt in jedem Menschen, auch in dir. Halte sie ja fest, und lache nicht zu lange über sie, sonst könnte sie sich von dir wenden, und dann, das sage ich dir, ist es mit dem Gelächter aus!“
    Er hielt mir seine Hand entgegen, mit der innern Fläche nach oben, als ob etwas darauf liege, und drehte sie schnell um, als ob er es fallen lasse, wie man zu tun pflegt, wenn es etwas abstoßend Häßliches ist. Diese Gebärde bedeutet in der Zeichensprache der Beduinen noch mehr als Nichtbeachtung oder Gleichgültigkeit. Man will damit sagen, daß einem das, was man gehört hat, im höchsten Grade widerwärtig ist. Dazu rief er lachend aus:
    „Ich mag nichts von ihr wissen; sie mag sich von mir wenden; ich hasse sie! Desto fester halte ich die Rache! Da mir die Beni Khalid nicht mehr helfen werden, so bin ich jetzt zu schwach gegen euch; aber wehe euch, wenn ihr nach Mekka kommt! Kehrt lieber jetzt noch um! Denn sobald ihr mit dem Fuß das Gebiet der heiligen Stadt betretet, habt ihr den ersten Schritt in euer Verderben getan. Ich schwöre es bei Allah und dem Propheten!“
    Er erhob die Hand zum Schwur, drehte sich um und ging. Niemand hinderte ihn daran, obgleich es wohl den meisten Haddedihn in den Händen zuckte, ihm eine derbe Erinnerung mitzugeben.
    Wir sahen, daß der Münedschi im Sattel festgebunden wurde, eine Vorsichtsmaßregel, welche bei seinem eigenartigen Zustande sehr geboten war. Er schien das gar nicht zu bemerken, doch als sein Kamel sich in Bewegung setzte, wendete er uns sein Gesicht zu, in welchem die Augen geschlossen waren, und rief:
    „Lebt wohl für kurze Zeit! El Aschdar hungerte vergeblich nach euch. Nun wird er seine eigenen Kinder verzehren! Das Lächeln der Liebe ist verschwunden; nun wird sie streng und – – –“
    Mehr hörten wir nicht, denn der Ghani versetzte dem Blinden mit dem Metrek einen Hieb, daß er schwieg. Es war auch dieses Mal wieder nicht seine Stimme, sondern diejenige Ben Nurs gewesen.
    Ich hatte vorhin gesagt, daß unsere Gewehre auf die Abziehenden gerichtet sein würden, denn es war ja doch

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