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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dein Helfer war und für dich mehr, ja viel mehr wagte, als er durfte! Eigentlich sollten wir nun unsern Gnadenspruch zurücknehmen; aber es graut uns allen so vor dir, daß wir nur den einen Wunsch haben, dich nicht mehr zu sehen! Mach dich rasch fort!“
    Der Ghani hatte ihm mit seinem gespannten Blick jedes einzelne Wort sozusagen aus dem Munde gezogen; nun, da er erfahren hatte, was er wissen wollte, machte er seinem Grimm rücksichtslos Luft:
    „Es scheint also, ihr wollt ihn auch begnadigen! Dieser räudige Hund, dieser Verräter, dieser Mörder seiner Gastfreunde soll entkommen! Und warum? Ich weiß es wohl und will es euch sagen: Aus Liebe, Liebe, Liebe!“
    Er lachte höhnisch auf, warf die Arme mit einer verächtlichen Bewegung hoch empor, ließ das Gelächter zum zweitenmal hören und fuhr dann fort: „Ich muß sprechen, muß reden, und wenn es mir das Leben kosten sollte! Ich saß bei euch und habe eure verrückten Reden über diese Liebe anhören müssen! Ich habe alles gesehen, was ihr tatet; ich habe alles beobachtet und weiß also nur zu gut, daß dieses Nebel- und Jammerbild, welches ihr Liebe nennt, von euch erfunden wurde, um eure Albernheit und Schwäche zu entschuldigen oder gar zu beschönigen. In dieser eurer Liebe begeht ihr jetzt wieder die hirnlose Einfältigkeit, eurem größten und unerbittlichsten Feind das Leben zu schenken und ihn wieder gegen euch loszulassen! In dieser eurer Liebe bildet ihr euch ein, etwas Höheres und Besseres zu sein als andere Menschen! Wegen dieser eurer Liebe sollen die Bewohner dieses Landes, sollen ihre Sitten und Gebräuche, sollen ihre Gedanken und Taten, ja, soll sogar die Wüste sich plötzlich verändern! In dieser eurer Liebe dünkt ihr euch weiße, reine, heilige Schwäne zu sein, welche sich den freien Adlern und Geiern dieses Gebietes zugesellen und von ihnen verlangen dürfen, ihren Gewohnheiten und Instinkten gänzlich zu entsagen! In dieser Liebe glaubt ihr, Wunder zu tun, und wenn man diese Wunder näher betrachtet, so sind sie erbärmliche Knabenstreiche, über welche man nur lachen kann! In dieser eurer Liebe scheint ihr sogar zu glauben, daß wir euch für diese Streiche loben, preisen und danken sollen, denn eure Lippen fließen von salbungsvollen Ermahnungen und Warnungen über, die ihr uns am liebsten nach hinten auf den Rücken heften möchtet! Es wird dem, der das anzusehen und anzuhören hat, so schlimm, daß es ihm scheint, sein Inneres wolle sich nach außen wenden! Ich fordere euch um Allahs willen auf, ja dem Gedanken zu entsagen, daß ihr mich damit anders macht, als ich gewesen bin und auch für immer bleiben werde! Ihr habt in mir nur Ekel erregt, weiter nichts! Hier seht mich an, ob ich nicht ein ganz anderer Mann bin, als ihr alle seid! Hier stehe ich! Ich habe euch, ohne mich vor euch zu fürchten, den ganzen Inhalt meines Herzens ausgeschüttet. Nun schießt mich augenblicklich nieder! Denn soviel Gerippe wird euer Charakter und eure Ehre doch vielleicht noch haben, daß ihr nicht sogar auch noch jetzt euch hinter dieses schwache, vor Angst zitternde Weib, die Liebe, steckt, um euer schönes, weißes Gefieder ja nicht durch den Vorwurf einer Tat der Rache zu beschmutzen! Ich wiederhole: Hier stehe ich; nun schießt mich nieder!“
    Der Grimm, mit dem er seine Rede begonnen hatte, war von Satz zu Satz gewachsen. Sein Gesicht hatte sich verzerrt, und seine Lippen geiferten. Dieser Mensch hatte uns alle Veranlassungen gegeben, ihn für einen Feigling zu halten, und er war es auch. Die treibende Kraft seines jetzigen Auftretens war nicht etwa das Selbstbewußtsein, der Mannesmut, sondern die zügellose unbezähmbare Wut darüber, daß wir ihn nicht an dem Scheik rächen wollten. Grad daß er diese Wut nicht beherrschen konnte, war ein Beweis seiner Schwachheit, denn wer für das Leben der Psyche ein aufmerksames Auge besitzt, wird die Erfahrung gemacht haben, daß Leute, welche eine so plötzliche Eruption, einen in dieser Weise ausbrechenden Todesmut zeigen, eigentlich feig und zaghaft sind. Der wahre Mut ist ruhig und weiß sich in jeder Lage zu beherrschen!
    Darum konnte mich der Anblick dieses so ganz und gar aus dem Gleichgewicht gebrachten Mannes nur mit Mitleid erfüllen, mir aber ja nicht imponieren. Die Haddedihn drängten sich drohend zu ihm hin. Der Perser blieb ruhig stehen; aber er schaute außerordentlich finster drein. Halef war dunkler im Gesicht geworden; ich sah, daß er Mühe hatte, sich zu beherrschen. Darum

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