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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Krankheiten vor. War er epileptisch, hysterisch, gar somnambul, oder was sonst? Jedenfalls nervenkrank! Er behauptete, während dieser Ohnmachten in einer andern Welt zu sein und sich dessen ganz genau erinnern zu können. Um meine größte Teilnahme zu gewinnen, hätte er gar nicht mehr zu sagen gebraucht! Ich bin ein sehr nüchterner Mann und jeder Phantasterei abgeneigt; ich nehme nur das als wahr und richtig hin, was ich mit kalten Sinnen geprüft und als echt erkannt habe; aber trotzdem oder vielleicht grad darum
    ‚schau ich gern in solche Ecken,
wo geheime Sachen stecken‘,
    selbst wenn es geistige Ecken oder Winkel sind, und hinter diesen Ohnmachten des Münedschi war etwas verborgen, was meine Neu- oder vielmehr Wißbegierde reizte. Ich gestehe es aufrichtig.
    Aus all diesen verschiedenen Gründen war mir das Zusammentreffen mit ihm ganz recht, und wenn ich auch gar nichts anderes zu erwarten gehabt hätte, er war eine Person, mit welcher ich mich unterhalten konnte. Trotz der scheinbaren Überzeugung, mit welcher er von den Lehren und Satzungen des Islam gesprochen hatte, glaubte ich bemerkt zu haben, daß der Boden, auf welchem er in Beziehung auf den Glauben stand, unter ihm ins Wanken geraten, vielleicht niemals fest und sicher gewesen war. Mit solchen nach der Wahrheit Strebenden verkehre ich gern, denn wer sein höchstes Glück bei Gott gesucht und auch gefunden hat, der möchte auch gern andere glücklich machen!
    Was El Ghani betrifft, welcher uns mit Drohungen verlassen hatte, so dachte ich jetzt mit weniger Sorge an ihn als vorher, falls der Ausdruck Sorge da der richtige gewesen wäre. Es war kein klares, bestimmtes, definierbares Gefühl, welches in mir lag, aber es machte sich doch bemerkbar und wurde auch verstanden, nämlich daß unsere Bekanntschaft mit El Münedschi uns in dieser Beziehung von Nutzen sein werde. Derartige Vorgefühle, und wenn sie sich noch so leise bemerkbar machten, haben mich fast nie getäuscht.
    Es wurde dem Alten der bequemste Sattel, den wir hatten, mit Decken und weichen Tüchern so vorgerichtet, daß er da behaglich wie in einem Lehnstuhle sitzen konnte. Ehe er aufstieg, bat er uns, ihn an das Grab zu führen; wenn er es auch nicht sehen könne, so wolle er doch wenigstens mit den Händen einmal nach dem Orte schauen, welcher beinahe sein Grab geworden wäre. Nicht einer von uns, sondern Hanneh nahm ihn bei der Hand, um ihn hinzuleiten, indem sie sagte:
    „Diese deine jetzige Kijahma ist eine irdische, bei welcher dir deine Augen nicht den Ort der Auferstehung zeigen; wenn aber einst deine wirkliche, deine himmlische Kijahma kommt, so werden sie geöffnet sein, und du wirst mit ihnen das Land der Herrlichkeit sehen, welches Allah allen denen bereitet hat, die reinen Herzens sind und ihn und seine Menschenkinder lieben. Allah jekuhn ma' ak – Gott sei mit dir!“ – – –

ZWEITES KAPITEL
    El Kanz el A'da
    Unser heutiger Ritt hatte den Bir Hilu (süßer Brunnen) zum Ziele, welcher nicht auf dem nordsüdlichen Karawanenwege, sondern weit seitwärts von demselben liegt. Daß er auch von El Ghani genannt worden und ihm also bekannt war, lieferte mir den Beweis, daß dieser Mekkaner sich nicht immer nur in der Stadt des Propheten aufgehalten, sondern auch die Wüste ziemlich genau kennen gelernt haben mußte.
    Die Wüste!
    Ich habe sie und ihre verschiedenen Arten schon so oft beschrieben, daß ich mich nicht wiederholen darf. Ihre Physiographie ist bekannter als die bisher noch kaum gewürdigte Bedeutung, welche sie als Erzieherin des sie betretenden oder ihre Wahat (Oasen) bewohnenden Menschen besitzt. Wie die Prärie ein nur ihr eigenartiges Leben und die nur auf ihr möglichen Gestalten entwickelt, so hat auch die Wüste ihre besonderen Pflanzen-, Tier-, Menschen- und überhaupt Lebensformen, welche man in anderen Gegenden vergeblich suchen würde. Damit würde Freiligrath, wenn er es mit seinem ‚Wüstenkönig ist der Löwe‘ ernstgemeint hätte, allerdings nicht einverstanden sein, denn ‚der Löwe kommt auch in anderen Gegenden als nur in der Wüste vor‘, würde er sagen; aber ich habe trotzdem recht, denn wenn der Löwe wirklich einmal in der Wüste vorkommt, so ist es doch nur am Rande derselben, und er hat sich verlaufen. Er braucht als Fleischfresser viel Wasser und ist also nichts weniger als ein Wüstentier, wie ja auch die Giraffe, auf welcher er seinen berühmten ‚Löwenritt‘ ausführt, es in der Wüste nicht viel länger als einen Tag

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