19 - Am Jenseits
starr, geradezu starr. Aber wie ihm eine solche Beleidigung noch nicht vorgekommen war, so hatte der Scheik der Beni Khalid das, was ihm jetzt geschah, jedenfalls auch noch nicht erlebt. Ich glaubte, Halef werde nun mit einer Flut von Schimpfworten gegen ihn losbrechen, sah aber bald, daß dies ein Irrtum von mir war. Der kleine Hadschi sprang, als habe er seine Starrheit mit einem einzigen Ruck überwunden, aus seinem hohen Sattel auf die Erde herab, schnellte zum Kamel Tawils hin, ergriff mit beiden Händen das eine Bein des Reiters und riß ihn mit einer Kraft herunter, über welche sogar ich erstaunte. Im nächsten Augenblicke hatte er seine Peitsche aus dem Gürtel gerissen und schlug nun in einer Weise auf den am Boden Liegenden ein, daß dieser weder aufspringen noch etwas anderes tun als nur durch die vorgehaltenen Vorderarme sein Gesicht gegen die hageldicht fallenden Hiebe schützen konnte. Dabei ließ Halef kein einziges Wort hören; seine Wut war so groß, daß er sie nicht durch die Zunge auszudrücken, sondern nur mit der Peitsche zu betätigen vermochte. Desto mehr brüllte der Gezüchtigte. Er rief, nein, er schrie seinen Gefährten zu, ihm zu helfen. Sie wollten das auch tun; da zog ich den Revolver und gab einen Schuß ab, das verabredete Zeichen für unsere Haddedihn, welche sofort herbeigeeilt kamen und durch ihr unerwartetes Erscheinen die Aufmerksamkeit der zwei darüber bestürzten Beni Khalid so in Anspruch nahmen, daß diese gar nicht daran denken konnten, sich um ihren Scheik zu bekümmern. Sie wurden umringt und von den Kamelen gerissen, wobei man dem Hadschi Platz ließ, seine Züchtigung fortzusetzen, was er auch so lange tat, bis er den Arm nicht mehr bewegen konnte. Da warf er die Peitsche von sich, trat zu mir heran und rief, vor Anstrengung atemlos, aber blitzenden Auges und mit noch vor Wut bebender Stimme:
„Sihdi, ich bitte dich um Allahs willen, sprich mir jetzt ja nicht darein, sonst platze ich! Dieses Mal darfst nicht du bestimmen, was geschehen soll, sondern ich bin es, dem man zu gehorchen hat. Dieser Hund hat mein Weib begeifert, meine Hanneh, das schönste, reinste und beste aller Wesen, die auf der Erde wandeln; er hat ihr nicht nur einen verachteten Namen, sondern auch triefende Augen gegeben, und wenn du mich hinderst, ihm diese Lästerung heimzuzahlen, so schwöre ich dir zu, daß ich die Freundschaft zu dir sofort aus meinem Herzen reiße! Ich verspreche dir, als Mensch mit ihm zu verfahren; mehr aber kannst du nicht von mir verlangen! Bist du einverstanden?“
„Ja“, antwortete ich, „denn ich weiß, daß du nichts tun wirst, was mich zwingen würde, dann meinerseits die Freundschaft zu dir aus dem Herzen zu reißen! Also abgestiegen, wer noch im Sattel sitzt! Wir bleiben einstweilen hier!“
Dieser Weisung wurde Folge geleistet. Man half Hanneh und dem Münedschi herab. Dieser letztere war wach und munter; er wollte wissen, was geschehen sei und noch geschehen werde, mußte sich aber mit einer ganz kurzen Auskunft begnügen. Die Beni Khalid waren gebunden worden. Das Gesicht und die Hände ihres Scheiks zeigte Spur an Spur der ihm gewordenen Züchtigung. Er brüllte in einem fort und rief Allah, den Himmel, Mohammed und alle Kalifen zu Zeugen an, daß er sich fürchterlich und blutig rächen werde, „an den Solaib-Hunden“, wie er sich ausdrückte. Er war also, obgleich Halef ihn doch eines ganz andern belehrt hatte, selbst jetzt noch der Meinung, daß wir feige Angehörige des genannten Stammes seien. Da nahm Halef seine Karbatsch wieder in die Hand, trat zu ihm hin und drohte:
„Schweig, du Sohn aller Hundeväter und Ahne aller Hundesöhne, sonst beginne ich von neuem! Du sagtest, Allah habe die Haddedihn ohne Hirn geschaffen, wo aber hast du das deinige? Du weißt, daß Hadschi Halef Omar mit fünfzig Haddedihn kommen werde, und nennst uns noch immer Solaib. Hast du keine Augen? Zähle uns doch! Hast du nicht gehört, daß auch die Gebieterin seines Harems sich bei dem Scheik der Haddedihn befindet? Wo ist dir der Verstand verlorengegangen, der dir doch sagen müßte, daß wir nicht Solaib, sondern diejenigen sind, welche du erkundschaften und dann am Bir Hilu angreifen willst? Nun zwinge uns doch, mit dir zu reiten, du Wurm der Ohnmacht und des Unvermögens! Hast du dich wirklich vor hundert Leuten unserer Sorte nicht zu fürchten? Sind die Haddedihn wirklich die Wasserfrösche, als welche du sie bezeichnet hast? Da liegst du nun, bedeckt von den
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