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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hieben meiner Peitsche! Deine Gestalt ist fast doppelt so lang wie die meinige; aber wenn Allah sie noch hunderttausendmal länger gezogen hätte, wäre sie doch ein Zwerg gegen die endlose Riesenhaftigkeit der Dummheit, welche das einzige, dir hinterlassene Erbe aller deiner ohne Verstand geborenen und ohne Vernunft gestorbenen Ahnen ist. Wer nur einen einzigen Blick auf dich wirft, der muß sich sofort abwenden, sonst löst er sich so in Tränen der Trostlosigkeit auf, daß nichts, aber auch gar nichts von ihm übrigbleibt!“
    Um diese seine Worte zu verdeutlichen, wendete er sich ab und zufällig seinem Sohne zu, der hinter ihm stand. Er nahm ihn bei der Hand, zog ihn vor, deutete auf Tawil und fuhr fort:
    „Da siehst du ihn liegen, der deine Mutter, in welcher alle weiblichen und mütterlichen Vorzüglichkeiten in größter Vollkommenheit vereinigt sind, eine triefäugige Büjüd-schih genannt hat! Nun sag du mir, was ihm dafür geschehen soll!“
    Kara Ben Halef, welcher seinen Namen Kara bekanntlich von mir bekommen hatte, machte eine abwehrende Handbewegung und sagte nur das eine Wort:
    „Nichts!“
    „Nichts?“ fragte sein Vater ebenso erstaunt wie unbefriedigt. „Nichts soll ihm geschehen?“
    „Nichts! Auf eine solche Frechheit kann nur die Peitsche antworten; das ist geschehen. Jede weitere Beachtung würde nur eine Ehre für ihn sein, und die darf ihm nicht werden!“
    Der brave Jüngling wendete sich ab und ging zu seiner Mutter. Halef sah ihm nach, blickte einige Zeit sinnend vor sich nieder, hob dann sein Gesicht und rief mir in entzücktem Ton und strahlenden Auges zu:
    „Sihdi, hast du gehört, was Kara Ben Halef, der Sohn meines Herzens, soeben sagte? Was sagst du dazu?“
    „Er hat recht“, antwortete ich.
    „Ja, er hat recht. Der Beleidigung der besten aller Frauen ist Genüge geschehen, und so soll in Beziehung auf sie dieses Hundes nicht wieder gedacht werden. Aber ich habe wegen anderer Dinge weiter mit ihm zu sprechen und hoffe, daß ich auch da das Richtige treffen werde. Bindet ihm seine Flinte lang an die Seite und den Arm so fest daran, daß er ihn und die Hand nicht bewegen kann!“
    Während Omar Ben Sadek mit zwei Haddedihn diesem Befehle nachkam, trat Halef zu mir, hielt mir seine Hand hin und bat:
    „Effendi, zeige mir, wo die Fingerschlagadern liegen; ich muß das wissen!“
    Ich ahnte, was er wollte, und stimmte ihm vollständig bei, ohne ihm dies aber zu sagen. Ich hätte das, was er jetzt vorhatte, wahrscheinlich auch getan, weil es das beste, einfachste und für uns ungefährlichste Mittel war, den Perser zu retten. Darum zeigte und erklärte ich ihm in kurzen Worten die Lage und die Tätigkeit der betreffenden Adern. Als dies geschehen war, ging er nach dem Tachterwahn, um sich Hannehs kleines, scharfes Näh- oder vielmehr Trennmesser zu holen. Dann kehrte er zu dem Scheik der Beni Khalid zurück, welchen, obgleich er gebunden war, drei oder vier Haddedihn halten mußten. Ich stand entfernt davon und sah nur, daß Halef sich über ihn niederbeugte. Dann erscholl ein Schrei, und ich hörte Tawil brüllen:
    „Was tatest du mit meiner Hand? Du hast mich gestochen. Da spritzt das Blut empor!“
    „Ja, ich habe dich gestochen“, antwortete Halef. „Es geschieht dir nach dem Gesetz der Wüste: Blut um Blut, Leben um Leben. Du lassest den Perser am Aderlasse sterben und teilst nun mit ihm dasselbe Geschick. Morgen früh wirst du mit ihm aus dem Land der Lebenden gehen und mit ihm zu gleicher Zeit es Ssiret, die Brücke des Todes, erreichen. Allah weiß, wer glücklich hinüberkommt, er oder du!“
    „So hast du mir die Faßada gegeben?“
    „Ich habe dir nur zwei Fingerschlagadern geöffnet, ganz genau das, was du mit ihm getan hast.“
    „Allah verdamme dich! Wie kannst du es wagen, mein Blut zu vergießen?!“
    „So, wie du es gewagt hast, das seinige zu vergießen.“
    „Das war der Beschluß des Gerichtes!“
    „Hier auch, denn ich bin der oberste Richter des Stammes der Haddedihn.“
    „Dieser Schiit soll an der Faßada sterben, weil er die Mekkaner, unsere Gastfreunde, beleidigt hat!“
    „Und du sollst ebenso an der Faßada sterben, weil du ihn, der unser Gastfreund ist, beleidigt und sein Blut vergossen hast und auch noch weiter vergießen und ihn dadurch töten willst. Du siehst, ich tue ganz genau dieselbe Tat aus ganz genau demselben Grund wie du.“
    „Es ist doch nicht dasselbe, denn dieser Schiit hat nicht bloß die Mekkaner, sondern auch mich und

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