Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
190 - Der Finder

190 - Der Finder

Titel: 190 - Der Finder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
sein mochte, die im fernen Afra solche schlichte, aber wirkungsvolle Mechanik und derartige Luftfahrzeuge hervorgebracht hatte. Wenn man Victorius glauben wollte, wohnte sein Volk in Wolkenstädten hoch über dem Erdboden. Rulfan hörte sich solche Berichte an und kommentierte sie nicht groß. Victorius – das ahnte er – war nicht aus freiem Entschluss zu dieser halsbrecherischen Expedition nach Zentralaustralien aufgebrochen. Etwas hatte ihn magisch hierher gezogen. Genau wie Aruula. Und er hatte dieser Kraft nichts entgegenzusetzen gehabt. Genauso wenig wie Aruula. Konnte man die Worte eines solchen Menschen auf die Goldwaage legen? Rulfan tat es lieber nicht.
    Sie leerten das Kondenswasser aus den Druckrohren, mit denen die erhitzte Luft in den Schwebecorpus geblasen wurde, und verhüllten den Propeller mit einer Art Mantel aus fest gewebten Pflanzenfasern.
    Zuletzt klappten sie die Rohrkonstruktion zusammen, und als die Ballonseide des Schwebekorpus ihres Stützskeletts beraubt zusammenfiel, falteten und rollten sie den Stoff und verstauten ihn im Hohlraum zwischen Außendach und Innendecke der Gondel.
    Es war längst dunkel, als alle Arbeiten erledigt waren. Durch das Los bestimmten sie die Reihenfolge der Wache. Clarice war als Erste an der Reihe, Victorius als Letzter. Chira schlief außerhalb der Luftschiffgondel im Sträucherwald, um die kleine Gruppe rechtzeitig zu warnen, falls ungebetener Besuch auftauchen sollte.
    Rulfan schlief nur drei oder vier Stunden in dieser Nacht. Die Vorschatten der kommenden Tage und Wochen bedrückten und beunruhigten ihn. Und die Nähe Aruulas. Er träumte drei oder vier Mal von ihr in dieser Nacht, und wenn er wach lag, sah er ihr Gesicht und ihren atemberaubenden Körper vor seinem inneren Auge. Er fühlte sich wie kurz vor dem Aufbruch zu einer langen Reise. Dabei lag eine schier unendlich lange Reise hinter ihm.
    Drei oder vier Stunden vor Sonnenaufgang stand er auf und löste Vogler mit der Wache ab. Drei Atemzüge lang hielt der Waldmann vom Mars Rulfans Hand fest. »Du weißt, dass uns eine schwere Zeit bevorsteht?«, flüsterte er.
    »Ich ahne es«, murmelte Rulfan.
    »Gut.« Vogler zog sich zu seiner Schlafstätte unter dem Kartentisch zurück und rollte sich dort in seine Felle.
    Während seiner zweistündigen Wache trank Rulfan Wasser und aß getrocknete Früchte und eine Fettcreme mit Nüssen und Samenkörnern. Es war noch dunkel, als Victorius ihn ablöste. Statt sich hinzulegen, gürtete Rulfan sein Schwert, sein Messer und schnallte sich den Lederbeutel mit ein paar Werkzeugen und etwas Proviant auf den Rücken.
    »Du legst dich nicht mehr schlafen?«, wunderte sich der schwarze Prinz.
    Rulfan schüttelte den Kopf. »Ich gehe voraus«, sagte er. »Ihr kommt einfach nach, wenn ihr so weit seid. Wir machen es wie sonst auch: Chira und Titana bleiben als Wachen zurück. Einverstanden?«
    Der schwarze Prinz nickte langsam. »Es ist die Nähe von Madame Aruula, n’est-ce-pas?« Sein forschender Blick bohrte sich in Rulfans Augen. »Du kannst es nicht mehr abwarten, sie wieder zu sehen.«
    Rulfan erwiderte nichts, sah dem anderen nur in die Augen und zurrte seinen Waffengurt fest. »Viel Glück«, flüsterte Victorius.
    »Viel Glück, mon ami.«
    »Danke.« Rulfan wandte sich ab, öffnete die Gondelluke und schlüpfte nach draußen. Überrascht blieb er stehen, als er das Gefunkel der Sternenpracht im Nachthimmel bemerkte. Er blickte nach oben. Drei oder vier Atemzüge lang tauchte er in die erhabene Schönheit des Sternenhimmels ein. Dann lief er durch die schmale Bresche, die Vogler und Clarice ins Gestrüpp geschlagen hatten.
    Am Rande des Sträucherwäldchens, unter einer der Akazien, stand plötzlich Chira vor ihm. Sie hob den Kopf, winselte und wedelte mit dem Schwanz. »Ich bin ein paar Tage unterwegs, mein schwarzes Herz.« Er ging vor ihr in die Hocke und liebkoste sie. »Du wartest hier auf mich. Friss mir diese Telepathenmotte nicht versehentlich auf, bewacht gemeinsam das Luftschiff. Irgendwann wollen wir ja mal wieder weg von hier, oder?«
    Chira jaulte und stieß ihm die feuchte Schnauze an die Kehle.
    Rulfan stand auf und verließ die Deckung der Akazie. Im Mond- und Sternenlicht sah er drei oder vier Kilometer entfernt die Umrisse des Uluru. Die Sonne würde längst aufgegangen sein, wenn er dort ankam. Vielleicht würde sie dann sogar schon das Wiedersehen mit Aruula bescheinen. Der Gedanke beflügelte den Mann aus Salisbury.
    Er marschierte

Weitere Kostenlose Bücher