Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
190 - Der Finder

190 - Der Finder

Titel: 190 - Der Finder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Telepathen, was er wollte, weil sie es in seinen Gedanken lasen.
    Die Männer und Frauen waren in einem merkwürdigen Zustand, alle. Sie lächelten friedlich-selig, ihre Gesichtszüge erschienen Rulfan schlaff und ausdruckslos, ihre Zungen kamen ihm meistens unbeholfen und schwer vor. Überhaupt gab sich der größte Teil dieser Leute ziemlich wortkarg.
    »Was willst du von diesem Weib?«, fragte ein weißhäutiger Mann aus Euree. »Vergiss sie. Wir sind jetzt am Ziel, verstehst du? Wir sind jetzt endlich in der Nähe des HERRN. ER ist alles, was wir brauchen, IHM zu dienen ist der Sinn unseres Daseins. Vergiss also dieses Weib, Mann! Überlass dich IHM, und alles wird gut.« Er klopfte Rulfan auf die Schulter und lächelte dümmlich.
    Rulfan ging zum nächsten Zelt, sprach den nächsten an. Die Menschen kamen ihm passiv vor, irgendwie berauscht, fast wie in Trance. Er fragte sich ernsthaft, ob es in der Umgebung des roten Felsmassivs noch Leute gab, die Herr ihrer Sinne und ihres Willens waren. Was geschah hier? Worauf warteten all diese Menschen? Und was für eine Macht war das, die sie hierher gerufen hatte, die stärker war als ihre Familienbande und die Liebe zu ihrer Heimat?
    Mehr als zweihundert Menschen hatte Rulfan nach Aruula gefragt, als er nach etwas mehr als zwei Stunden die andere Seite des roten Felsens erreichte. Auch hier lungerten ausgemergelte Gestalten, schlugen ihre Zeit tot, auch hier warteten an die fünfhundert Menschen aus allen Gegenden der Welt. Männer und Frauen, Alte und Junge, kräftig gebaute Weiße, hoch gewachsene Schwarze, zierliche Schlitzäugige mit bronzefarbener Haut, und so weiter. Auf was aber warteten sie? Und welche Macht hatte sie hierher gerufen und hielt sie hier fest?
    Unermüdlich ging Rulfan von einem zum anderen und fragte nach Aruula. Niemand hatte sie gesehen.
    Wie schon auf der anderen Seite des Felsens traf er hin und wieder auf Gruppen von kleinwüchsigen Menschen mit dunkler Haut. Sie hatten ihre Körper mit roter und weißer Farbe geschmückt und unterschieden sich von all den anderen vor allem durch ihre wachen, lauernden Blicke. Rulfan fühlte sich von ihnen beobachtet. Nach und nach begriff er, dass sie ihn auf Schritt und Tritt begleiteten; in einiger Entfernung zwar, aber doch nahe genug, um ein Gefühl der Bedrohung bei ihm auszulösen. Als er einige von ihnen nach Aruula fragte, schüttelten sie nur stumm die Köpfe. Ihre Blicke aber schienen ihn zu durchbohren.
    »Wer sind diese Kerle?«, fragte er eine Frau aus Euree, die die Sprache der Wandernden Völker beherrschte.
    »Anangu«, antwortete sie mit vor Ehrfurcht bebender Stimme.
    »SEINE Wächter, sie werden auch dich noch zu IHM bringen, damit du dich mit IHM vereinigen kannst.«
    »Vereinigen?« Stirnrunzelnd betrachtete Rulfan die Frau.
    »O ja«, hauchte sie. »Vereinigen. Freue dich.« Der Ausdruck stumpfsinniger Seligkeit lag auf ihrer Miene. Es war der gleiche schlaffe, leicht blödsinnige Gesichtsausdruck, der ihm hier überall begegnete; außer bei diesen Anangu. Rulfan begann sich ernsthafte Sorgen zu machen; um Aruula, um Victorius, um sich selbst.
    Später sah er, wie Anangu auf riesigen Waranen am Lager der Telepathen entlang ritten. Die mit dicken Hautschuppen gepanzerten Tiere sahen aus wie grob aus schmutzigem Fels gehauene Drachenskulpturen. Ein wahrhaft erschreckender Anblick war das, wie sie an den Zelten und Hütten vorbeischaukelten. Scheinbar gelangweilt blickten ihre Reiter auf die bunte Schar der Männer und Frauen herunter.
    Die Drachenreiter wurden von Echsen begleitet, die nur unwesentlich kleiner als Lupas waren. Auch die sahen auf den ersten Blick nicht wie Tiere aus, sondern wie lebendig gewordenes Geröll: schroff, kantig, schmutzig, stachelig.
    Rulfan hatte plötzlich das Gefühl, sich in eine Art Internierungslager verirrt zu haben, das nur deswegen keine Mauern und Drahtzäune einschloss, weil es durch eine viel wirkungsvollere Methode gesichert war.
    Schlagartig wurde ihm klar, wie sehr der tranceartige Zustand der Menschen hier und ihr selig-blödes Lächeln täuschte. Eine unerbittliche Spannung lag über dem Felsen, dem Lager, den Leuten und ihren Bewachern. Keine Glückseligkeit herrschte hier, sondern die Ruhe vor dem Sturm.
    Aruula konnte er nirgends finden.
    Sieben oder acht Stunden brachte Rulfan mit der Suche nach der Barbarin von den Dreizehn Inseln zu. Die Sonne hatte schon ihren Zenit überschritten, als er am Rand des Lagers zwischen gelbliche

Weitere Kostenlose Bücher