1903 - Bebenalarm
nicht zugeben, indem ich in aller Gemütsruhe zusehe, wie ihr euch gegenseitig umbringt."
Mondra zuckte mit den Achseln und warf mit der Hand ein wenig Sand nach Norman.
Der kleine Elefant prustete nur und lief auf seinen Beinen einige Meter zur Seite. Dort blieb er stehen, wedelte mit dem Rüssel und schien darauf zu warten, daß jemand mit ihm spielte.
„Es ist schwierig, einen so bunt gewürfelten Haufen zusammenzubringen", sagte Mondra. „Außer mir hat niemand die entsprechende Ausbildung für solche Einsätze."
„Bist du denn der Ansicht, daß dein Verhalten korrekt ist?" fragte Reginald mild.
„Nein", gab sie zu. „Schätze, das ist auch der Grund, weswegen ich beim Liga-Dienst nie weitergekommen bin."
Sie zog die Beine an, schlang die Arme darum und stützte das Kinn darauf. Nach einer Weile vergrub sie das Gesicht in der Armbeuge.
Er merkte, daß sie zitterte, legte den Arm um sie und drückte sie behutsam an sich. Es war nicht tröstlich, daß sie dieselben Gedanken hatte wie er. Im Gegenteil. Er hätte lieber jemanden neben sich gehabt, der ihm Mut gemacht hätte. Perry war immer ein unverbesserlicher Optimist gewesen, aber selbst der alte Freund hockte in düsterem Schweigen versunken im Haus.
„Bully, ich hab' so eine Scheißangst", stieß Mondra mit einem unterdrückten Schluchzen hervor. „In so einer Situation bin ich noch nie gewesen ... ich meine, so ganz ohne Ausweg ..."
„Als wir die KAURRANG verloren, war es auch nicht anders", erinnerte er sie.
„Nein, das war überhaupt nicht so. Das habe ich irgendwie nicht so richtig kapiert, es ging alles so schnell, und seltsamerweise hatte ich trotz aller Probleme das sichere Gefühl, daß alles gut ausgehen würde. Ich sorgte mich mehr um Norman und dachte vor allem daran, so schnell wie möglich irgendwohin zu gelangen. Ich hatte keine Zeit für Angst."
„Jetzt ist es aber ähnlich: Wir haben nur eine bestimmte Frist, dann ist es aus."
Sie hob den Kopf und strich ihre schwarze Haarmähne zurück. Sie ist wirklich schön, dachte er einen Moment lang.
„Du verstehst nicht", flüsterte sie. „Weißt du, wenn der Sauerstoff zur Neige geht, dann schläfst du langsam ein... du spürst gar nichts, gehst einfach dahin ins Nirwana, wie Ska immer sagt. Aber hier ... Ich meine, sieh dir doch diese wundervolle Welt an! Wir haben fast ein Paradies gefunden, und das soll nun zerstört werden! Es hat so gutgetan, hier zu sein. Ich wollte mich zusammenreißen und sogar mit Poulton Waffenstillstand schließen.
Und jetzt - ich male mir ständig aus, was in vier Tagen passiert! Werden wir verbrennen?
Werden wir erschlagen? Werden wir langsam verrecken, alle Grausamkeiten vor Augen und alle Schmerzen der Welt in uns?"
„Ich weiß es doch selbst nicht, Mondra."
„Hast du keine Angst davor?"
Er lächelte. „O doch! Jedesmal aufs neue. Das hört nie auf. Aber man kann lernen, damit umzugehen." Oder zumindest so tun, fügte er in Gedanken hinzu. „Du kannst dir antrainieren, erst dann die Fassung zu verlieren, wenn dein Ende gekommen ist. Bis dahin mußt du die Gedanken an Schmerzen einfach verdrängen und versuchen, einen Ausweg zu finden."
Sie versuchte ein schwaches Lächeln. „Du meinst, wenn ich so viele Jahre auf dem Buckel habe wie du, klappt das?"
„Garantiert", behauptete er und gab das Lächeln zurück.
Mondra seufzte. „Dann werde ich vielleicht doch einmal befördert." Ein weiterer Schauer durchlief sie, die junge Frau kuschelte sich enger an ihn. „Danke, daß du jetzt hier bist, Bully. Es tut gut, so gehalten zu werden ... Mein Vater hat das auch immer gemacht, wenn ich traurig war oder Angst hatte."
Bull mußte in sich hineingrinsen, die Situation wurde immer abstruser. Da saß er also, mitten im schönsten Sonnenuntergang am Vorabend der Apokalypse, in friedlicher Idylle mit einer schönen jungen Frau im Arm - und erweckte bei ihr nichts anderes als das Gefühl der väterlichen Geborgenheit.
So weit ist es also schon mit mir gekommen, dachte er in einem Anfall von Selbstironie.
„Die Angst kann auch unser Verbündeter sein, Mondra", fuhr er mit seinem Trost fort.
„Sie beflügelt unseren Verstand und läßt uns die unglaublichsten Dinge vollbringen."
„Das ändert nichts daran, daß ich am liebsten vor Panik laut schreien und in die Wüste davonrennen möchte. Ich schäme mich deshalb, aber ich kann es nicht ändern. Bully, wenn ich dir verspreche, daß ich mich korrekt verhalten werde, wirst du Perry dann hiervon
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