1909 - Der Bebenforscher
Störmengord hörte sich das anfangs nach einer gigantischen Menge an.
Bei dreißig Milliarden Sternen, zu 99,9 Prozent unbewohnt, nahm sich die Gefahr dennoch sehr gering aus.
Aber das war nur die Statistik. Ein Kesselbeben konnte jederzeit eine blühende Zivilisation auslöschen. In einem solchen Fall betrug die Vorwarnzeit meist zwei oder drei Wochen, manchmal aber auch nur einige Tage wie im Fall des goldenen Planeten. Um die Bewohner eines Planeten in Sicherheit zu bringen, war das in jedem Fall zuwenig.
Vielleicht wurde es besser, wenn man die Vorwarnzeit auf einige Monate oder Jahre heben konnte. Doch das, so begriff Eismer bald, war Zukunftsmusik. Zur Vorhersage war eine sechsdimensionale Mathematik nötig, die sie nicht besaßen.
Reisende Bebenforscher verließen sich in erster Linie auf Ortung und lokale Analyse. Ein Kesselbeben kündigte sich durch eine Reihe von Vorboten an. Das fünfdimensionale Kontinuum wurde im Vorfeld bereits erschüttert, und jedes Bebenforscherschiff trug die Meßgeräte, die notwendig waren, solche Brüche zu bemerken.
Hinzu kam das Netz der sogenannten Bebenwachten: Ein System von 11.000 Stationen durchzog DaGlausch und Salmenghest, mehr oder weniger flächendeckend.
Bebenwachten waren mit empfindlichen 5-D-Ortern ausgestattet. Die Geräte stammten im Normalfall aus der Zophengorn-Werft; während die Stationen selbst von den Völkern der näheren Umgebung betrieben, gebaut und gewartet wurden.
Je mehr Stationen sich in der Nähe eines Bebengebietes befanden, desto genauer die Prognose.
Alle Daten wurden stündlich per Hyperfunk-Richtsender an regionale Satelliten gefunkt. Die regionalen Satelliten wiederum reichten ihre Daten gebündelt an den Ring-Großrechner im Empirium weiter.
Mit der Anzahl von 11.000 Bebenwachten war das unorganisierte Vielvölkergemisch von DaGlausch jedoch bei weitern überfordert.
Zahllose Bebenwachten konnte man nur als schrottreif bezeichnen. Viele trieben steuerlos durch das All, von den Besatzungen längst aufgegeben.
Eismer Störmengord fand, daß das eine Schande war.
*
Große Teile ihres Datenbergs verdankten die Bebenforscher einem besonderen Phänomen, der sogenannten Bebenhaft. Es gab Fälle, in denen eine Zivilisation, die in einer Bebenzone eingeschlossen war, nach zehn bis zwanzig Jahren lebendig wieder zum Vorschein kam.
Bei geringer Bebenstärke und mit ein bißchen Glück wurde nur die hochentwickelte fünfdimensionale Technik zerstört, und man konnte sich mit Ackerbau und Viehzucht gewisse Lebensmöglichkeiten sichern.
In der Rekrutenstadt standen Tausende von Erlebnisberichten zur Verfügung.
Augenzeugen hatten das Drama aufgeschrieben und ihren Bericht nach Zophengorn geschickt, manchmal wurden Überlebende von Bebenforschern befragt.
Eismer Störmengord fühlte sich von dem Phänomen fasziniert. Lebendig in einer Bebenzone, mit eigenen Augen zu beobachten, was wirklich geschah ... Was für ein Gedanke!
Hätte man ihm die Wahl gelassen -zehn Jahre Bebenhaft oder zehn Jahre Rekrutenstadt -, er hätte in jedem Fall die Bebenhaft gewählt.
Es hieß, mancher Forscher habe sich absichtlich von einem Kesselbeben überraschen lassen.
Ob ein Beben stark oder eher schwach ausfiel ließ sich zwar nicht vorhersagen.
Wiesen die Zeichen im Vorfeld jedoch auf eine moderate Bebenstärke hin, dann gab es immer wieder mutige Abenteurer.
Der Gedanke verfolgte ihn bis in seine Träume. Er sah sich als mutigen Recken mit einem geschulterten Schwert auf der Suche nach einem Zauberer, der das Kesselbeben heraufbeschworen hatte.
Aber es war leider nur ein Traum -noch hockte er in der Rekrutenstadt, und er wußte nicht, ob er jemals ein Beben aus der Nähe erleben würde.
Einem Forscher-, der eine Bebenhaft hinter sich hatte, sagte man hellseherische Gaben nach. Solche Bebenveteranen benötigten keine Meßinstrumente mehr; sie fühlten das Beben und seine Natur.
Aber selbst die Veteranen konnten über die Ursache des Phänomens keine gültige Aussage treffen.
Der Kessel blieb vollständig unpassierbar, noch nach achttausend Jahren Forschung.
An der Unpassierbarkeit des Kessels war nichts Mystisches. Man erblickte darin eine logische Folge der astrophysikalischen Zustände.
Unter normalen Umständen, so glaubte Eismer, wäre das Geheimnis des Kessels längst gelöst gewesen. In den zwei Galaxien hatte sich jedoch niemals ein wirklich großes, auch technologisch mächtiges Sternenreich gebildet.
DaGlausch bestand aus einer
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