1916 - Krieg der Träume
ziemlich heftig dagegen gewehrt hatten, an Bord der INGORUE geschafft zu werden. Auch sie waren in ihrer geistigen Beweglichkeit stark durch Jii'Nevevers Traumimpulse gehemmt gewesen, und das hatte letztlich den Ausschlag gegeben.
Julian Tifflor hatte die Funktion des INGORUE-Piloten übernommen und dabei lückenlos an jene Zeiten angeknüpft, als er noch ein berühmtberüchtigter Kadett der Solaren Flotte gewesen war, weithin bekannt für seine Alarmstarts, Katastrophenlandungen und Flugmanöver. Offenbar hatte er nichts von diesen Künsten vergessen, und nur seinen akrobatischen Flugmanövern war es letztlich zu danken, daß die INGORUE schließlich doch der Übermacht der Verfolger hatte entkommen können.
Nahezu im letzten Augenblick hatte Tifflor die INGORUE in den Linearflug geprügelt, bei einem Tempo, das eigentlich zehn Prozent unter der Mindestgeschwindigkeit für das Eindringen in die Librationszone zwischen Normal- und Hyperraum gelegen hatte. Es war dennoch gelungen, und im gleichen Augenblick hatten die Traumimpulse der Jii'Nevever aufgehört.
„Noch hat sie nicht die Reichweite und Durchschlagskraft, die sie gern hätte", hatte Tolot festgestellt. „Während des Linearfluges sind wir vor ihr sicher, und ich bin sehr zuversichtlich, daß wir bei größerer Entfernung von Jii'Nevever auch unsere Besatzung wieder in einen normalen Zustand bringen können."
Der Mausbiber liegt auf seinem Bett und starrt mit offenen Augen an die Decke. Die Flucht ist gelungen, wenngleich nur knapp. Jetzt müssen die nächsten Aktionen und Schritte beraten und beschlossen werden. Tolot und Tifflor sind zur Zeit genau damit befaßt.
Gucky hat sich zurückgezogen. Er hat ein eigenes Problem zu lösen, eines, das ihm seit vielen Stunden keine Ruhe mehr läßt.
Bekannt ist inzwischen, daß die Kunst von Jii'Nevever darin besteht, den Gedächtnisinhalt ihrer Opfer teilweise zu löschen und mit neuen Daten zu füllen. Gucky ist eine Zeitlang diesen Träumen ausgesetzt, er kann sich - in Maßen - daran erinnern.
Und in dieser Erinnerung eben liegt das Problem.
Das, was die Träumerin von Puydor ihren Opfern an neuen Daten ins Gedächtnis pflanzt - sind diese Daten echt oder rein fiktiv? Für das Opfer selbst ist der Unterschied nicht erkennbar, alle diese „Tatsachen" wirken unerhört echt, haben sie doch die wichtigste aller Zensurstellen passiert. Das Gedächtnis hat sie als echt ausgewiesen, und damit sind sie echt, mögen andere auch das Gegenteil behaupten.
„Ich habe es selbst mit eigenen Augen gesehen ..." Einen besseren, überzeugenderen Beweis kann es nicht geben. Gucky weiß, daß er in der Zu kunft seinem Gedächtnis nicht mehr so trauen kann wie zuvor.
Aber es ist ein Haken dabei: Die Ersatzinformationen - sind sie falsch oder echt?
Es sind die ursprünglichen Informationen, in dieser Hinsicht sind sie eindeutig falsch. Aber sind sie auch in der Beziehung falsch, daß sie der Realität außerhalb des eigenen Ich nicht entsprechen? Wenn man einem Menschen die Erinnerungen eines anderen Menschen einpflanzt, dann ist es zweifelsohne richtig, daß nicht der Empfänger die Erlebnisse selbst gehabt hat - aber das heißt noch lange nicht, daß es sie niemals gegeben hat.
Wie steht es in dieser Hinsicht mit den Auswirkungen der Jii'Nevever. der Träumerin von Puydor? Stellt sie rein fiktive Erinnerungen zusammen, die in der Wirklichkeit keinerlei Entsprechung haben, oder überträgt sie gleichsam tatsächlich Geschehenes, vielleicht mit rein Fiktivem, vermischt mit echten Tatsachen?
Für andere Opfer der Jii'Nevever mag das von zweitrangiger Bedeu tung sein; sie sind nur daran interessiert, wieder so zu sein wie vor dem Eingriff durch die Träumerin - theoretisch aber nur, denn in Wirklichkeit verspüren sie aus naheliegenden Gründen keinerlei echtes Bedürfnis danach. Ziemlich unsinnig, denn dann werden sie sich nicht weniger als echt und authentisch und original empfinden, als sie es jetzt tun.
Aber für Gucky macht es einen tatsächlichen Unterschied.
Er ist sich sehr sicher, daß er es nur Jii'Nevevers Traumimpulsen ver dankt, daß er sich an die Heimatwelt der Zwyrider erinnern kann. An das Raumschiffswrack, das er dort entdeckt hatte. An die schäbige Metallplakette von der Whistler Company. Und daran, daß diese Plakette einen einzigartigen Fingerabdruck aufgewiesen hatte - den eines Mausbibers, der nicht mit Gucky identisch war.
Alles nur Phantasie, eine Ausgeburt von Jii'Nevever und ihrem grausamen
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