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192 - Nah und doch so fern

192 - Nah und doch so fern

Titel: 192 - Nah und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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zu.
    »Sattelt die Drachen (Mammutwarane mit der Fähigkeit, Nebel auszufauchen) !«, rief Daagson. »Stellt einen kampffähigen Trupp zusammen! Der HERR hat ein ungewöhnliches Signal empfangen! Es kam aus dem Wellowin, und wir sollen seinen Ursprung erforschen. Also los!«
    Jagdlust blitzte in seinen blauen Augen. Daagson trug eine Tätowierung auf der Brust: das Auge des Ahnen; ein Hinweis darauf, dass der ungewöhnlich aussehende Anangu auch ungewöhnliche Fähigkeiten besaß. Daagson war ein Krieger, ein Heiler, ein skrupelloser Mörder und der beste Telepath weit und breit. Er hatte alles unter Kontrolle. So glaubte er zumindest…
    ***
    Während Daagsons Befehle über den Platz hallten, kam irgendwo nicht weit entfernt eine Echsenhand aus ihrem Versteck. Grao’sil’aana zeigte auf die Gefangenen, die soeben abgeführt wurden.
    »Siehst du den blonden Mann, Daa’tan?«, flüsterte er.
    »Präge dir sein Gesicht gut ein!«
    »Warum sollte ich? Der große Anangu ist wesentlich interessanter!«
    »Schon möglich. Aber er ist nicht Mefju’drex, dein Vater!«, erwiderte der Daa’mure und bereute es noch im selben Moment. Nur mit knapper Not konnte er seinen aufspringenden Schützling zurückhalten. »He! Bleib in Deckung!«
    »Lass mich los! Der Feigling hat zugelassen, dass sie meine Mutter in den Berg schleppen! Ich werde ihn töten!«
    »Nicht jetzt!«, stöhnte Grao’sil’aana. »Einen Auftrag nach dem anderen! So war es abgesprochen, so wird es ausgeführt. Komm mit! Wir folgen dem tätowierten Anangu. Ich muss herausfinden, was er weiß.«
    Daa’tan stutzte. »Aber… er will ins Wellowin!«
    »Ich weiß. Und?«
    » Und?« Daa’tan starrte den Daa’muren aus großen Augen an. »Der Anangu läuft in den Tod! Hast du schon vergessen, wie knapp wir da rausgekommen sind?«
    Grao’sil’aana verzog das Gesicht. »So alt kann ich nicht werden, dass ich das vergesse.« Rückwärts schlich er davon, verschwand im Gesträuch. »Kommst du?«
    »Ja-ja«, murrte Daa’tan. Er warf einen letzten Blick auf den Höhleneingang und auf das faszinierende fliegende Schiff, das neben dem Uluru festgemacht wurde. Dann folgte er Grao’sil’aana. Wenn auch widerstrebend.
    Freiwillig wäre Daa’tan nie ins Wellowin zurückgekehrt. Er kannte vieles nur aus Erzählungen, hatte längst nicht alle Geheimnisse dieses unheimlichen Ortes ergründet. Aber eines wusste Daa’tan genau: Im Wellowin ging eine Bestie um, die kein Mensch besiegen konnte…
    ***
    Zwölf Tage zuvor
    Die Sonne sank. Punta wusste, dass Eile geboten war, wenn er die Schildkrötentore noch rechtzeitig erreichen wollte; trotzdem unterbrach der junge Mandori seinen Abstieg ins Tal.
    Der Strick, an dem die Beute hing, hatte seine Schulter aufgerieben. Er stöhnte, als er ihn herunter zog.
    Punta war noch kein geweihter Jäger. Er zählte elf Sommer, es würden also mindestens zwei weitere vergehen, ehe der Älteste auch nur darüber nachdachte, ihm die begehrte Narbentätowierung zu gestatten. Doch der Junge wollte nicht warten, bis seine Zeit gekommen war. Ihn zog es fort von der Feldarbeit und hinauf in die heiligen Berge, denn er hatte Talent, das bewies der getötete Igoana zu seinen Füßen. Ohne Talent konnte man die roten Felsendrachen gar nicht aufspüren, die so vollendet mit ihrer Umgebung verschmolzen.
    Igoanas ergaben eine gute Mahlzeit. Man durfte nur nicht mit ihren giftigen Zähnen in Berührung kommen, wenn man an dem Essen noch teilhaben wollte.
    Punta spuckte in die Hand und legte sie auf seine wunde Schulter. Er musste dabei die Luft anhalten, denn es brannte wie Feuer. Doch dann strich der Wind über seine Haut und brachte angenehme Kühlung. Punta atmete aus. Unschlüssig betrachtete er die rauen Stricke, dann entschied er, noch einen Moment zu rasten. Ganz kurz nur.
    Der Junge stand auf dem Grat einer Felsformation. Sie hatte keinen Namen und keine Bedeutung, war nur ein Stein im Vergleich zu den angrenzenden Bergen. Kata Tjuta wurden die genannt, das hieß »viele Köpfe«. Punta nickte versonnen. Der Name passte zu den sechsunddreißig heiligen Giganten, die hoch in den Himmel ragten.
    Ihnen wohnte Schöpferkraft aus der Traumzeit inne. Das war auch der Grund gewesen, weshalb sich Puntas Clan auf diese Seite des Schildkrötenflusses gewagt hatte. Eigentlich gehörte das Gebiet ja den Anangu, den dunkelhäutigen Dienern des Ahnen. Sie mochten das hellere Mischvolk nicht, zu dem die Mandori zählten. Doch nachdem der Ahne – Gott der

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