192 - Nah und doch so fern
Aura, wenn sich Grao’sil’aana oder Daa’tan den Anangu auf mentaler Ebene näherten. Jemand kontrollierte diese dunkelhäutigen Krieger! Irgendeine unbekannte Macht!
Das Ausgangssignal kam vom Uluru, und der Anführer der Anangu reagierte besonders intensiv darauf. Das machte Daagson interessant für die heimlichen Lauscher. Grao’sil’aana und Daa’tan überprüften ihn abwechselnd. Daagson verstand es meisterlich, sein wahres Wissen abzuschirmen und sich auf Dinge zu konzentrieren, die ohnehin jeder kannte.
Aber letztlich war er nur ein Mensch – und Grao’sil’aana war es nicht.
Er entschied, dass Daagson gefasst werden musste. Die Gelegenheit hierzu ergab sich, als das Owomba-Weibchen endlich abzog. Es verschwand in der Nacht, und es dauerte eine Weile, ehe die Anangu dem Frieden trauten. Bis sich ihr Tross samt den Mammutwaranen in Bewegung setzte, um die Schildkrötentöre einzukreisen, hatte Grao’sil’aana längst den Todesrochen herbei gerufen.
Thgáan trug den Daa’muren an der dunklen Seite der Berge entlang zum unteren Ende des Tals. Dort setzte er ihn ab und flog sofort wieder talaufwärts, dem nahenden Owomba entgegen. Thgáan schlug der Bestie den Schädel ein; anschließend verschwand er in der Nacht und wartete im Aufwind auf weitere Befehle.
Grao’sil’aana war unterdessen zu den Bienenstöcken geeilt.
Seinem Echsenkörper machten die Stiche der Barnanyin nichts aus, und so konnte er das im Schlaf überraschte Volk problemlos einsammeln. Er hielt dabei mentalen Kontakt zu Daa’tan, der die Höhlen der Mandori im Blick hatte und laufend Bericht erstattete.
Als Grao’sil’aana mit seinem ungewöhnlichen Kriegerheer vor den Toren stand, wollten die Anangu gerade losschlagen.
Der Daa’mure nahm die Gestalt des Bienentänzers an, trat aus der Dunkelheit und ließ die Barnanyin los. Die waren inzwischen hellwach und wütend, und sie sorgten für exakt den Tumult, den er brauchte.
Daagson stand ein Stück abseits, wie es Anführer gerne tun.
Grao’sil’aana zwang ihn unter seine Kontrolle und führte ihn fort in die Dunkelheit. Thgáan entgegen, der bereits im Anflug war.
Niemand sah den Todesrochen, als er mit den beiden abhob und das Wellowin verließ. Er brachte sie zum Schildkrötenfluss, wo Grao’sil’aana den Entführten einer ersten eingehenden Befragung unterzog. Dabei stellte sich heraus, dass tatsächlich eine fremde Macht im Uluru hauste, die den Daa’muren und dem Wandler im Kratersee feindlich gegenüber stand.
Grao’sil’aana fackelte nicht lange. Er belegte seinen unfreiwilligen Informanten mit einer solchen Synapsenblockade, dass Daagsons Bewusstsein und Gedächtnis komplett abgeschaltet und alle lebenserhaltenden Gehirnfunktionen auf ein Minimum heruntergefahren wurden.
In diesem Zustand war Daagson nicht auffindbar, sollte jemand mental nach ihm suchen. Selbstverständlich ließ sich der Prozess rückgängig machen – bei der Ankunft am Kratersee!
Während der Nacht blieb Grao’sil’aana mit Daagson am Fluss. Es war zu riskant, ins Wellowin zurückzukehren und Daa’tan zu holen. Die Anangu suchten überall nach ihrem verschwundenen Anführer, mit vielen Fackeln und wachen Sinnen. Da konnte ein anfliegender Todesrochen leicht bemerkt werden.
Als es hell wurde, waren sie noch immer im Tal. Gegen Mittag zogen sie ab, nahmen auch die Mandori mit. Doch da war es zu spät für den Flug über Land. Zwar konnte niemand den Todesrochen aufhalten, aber Grao’sil’aana wollte nicht, dass die Macht im Uluru von seiner Existenz erfuhr. Sie sollte unvorbereitet sein, wenn die Daa’muren zum Gegenschlag ausholten.
So ließ er sich – was gefährlich genug war – mit Daagson ins Wellowin bringen. Thgáan bewegte sich dabei ein paar Meter über Bodenniveau und kehrte auf dieselbe Art zum Schildkrötenfluss zurück, wo er abtauchte.
Grao’sil’aana und Daa’tan hielten ihre kostbare Beute den Tag über in den Höhlen der Mandori versteckt. Am Abend sollte Thgáan dann kommen und alle drei für die Reise zum Kratersee abholen. So war es ausgemacht.
Jetzt wurde es Abend, und die Vereinbarung begann zu bröckeln.
»Weißt du, eigentlich könntest du auch allein zum Wandler fliegen«, überlegte Daa’tan. Er hielt sein Schwert in der Hand, die Spitze auf den Boden gestellt, und drehte es hin und her.
Lichtreflexe tanzten über die Höhlenwände.
Grao’sil’aana nickte. »Ja, das könnte ich. Aber ich werde es nicht! Der Sol hat lange nichts von dir
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