193 - Kurs in den Untergang
einen Fluch. Sie konnte die Haustür nicht nehmen. Sie machte kehrt und lief durch den Gang, der an den Parterrekammern vorbeiführte. An seinem Ende riss sie das Fenster auf. Der Lärm im Haus machte ihr eins klar: Sie musste sich sputen. Wenn die Verschwörer sie zu fassen bekamen, erging es ihr schlecht.
Zarah schaute aus dem Fenster. Die Luft schien rein.
Als sie auf die Fensterbank saß, packten muskulöse Hände von hinten ihren Hals, und eine heisere Stimme sagte: »Im Namen des Volkes: Du bist festgenommen!«
Zarahs Kopf fuhr herum. Es war der Schnauzbart mit der Uniformhose. Ein MP. Seine Augen lachten triumphierend.
»Im Namen des Volkes«, erwiderte Zarah und drosch ihm das Stuhlbein um die Ohren, dass er wie ein Sack Kartoffeln zu Boden ging. »Du kannst mich mal.« Dann sprang sie aus dem Fenster.
Sie landete genau vor den Füßen zweier MPs, die gerade ihre Runde machten.
***
»Bei Ei’don! Wie lange dauert das denn noch?«, stöhnte Quart’ol. »Was gibt es da so lange zu beraten? Nicht schuldig, das kann doch nicht so schwer sein!«
Nervös durchschwamm der Hydrit sein Gefängnis, ein paar Züge vor, ein paar zurück. Wieder und wieder. Er erinnerte sich, dass er in dieser Schleuse auch bei seinem ersten Besuch der geheimen Versammlungsstätte hatte warten müssen. War das ein gutes Zeichen oder ein schlechtes? Oder gar keins?
»Los, denk an Schwarzenegger! Reiß dich zusammen!«, befahl er sich selbst. Während der Warterei hatte Quart’ol eine Auswahl heldenhafter Abgänge aus seinem Gedächtnis hervorgekramt, um sich von ihnen im Falle eines Todesurteils inspirieren zu lassen. Die Szenen stammten aus Actionfilmen, die Matt Drax als Erinnerungen in die postapokalyptische Jetztzeit mitgebracht hatte. Bei der Geistesverschmelzung mit Quart’ol war das Ganze auf den Hydriten übergesprungen und befeuerte seither dessen Fantasie.
Sterben wie Gerard Butler in Wes Cravens »Dracula«, dachte er lächelnd, während er vor dem Schleusenausgang eine Kehrtwende machte und zurück schwamm. Ja, das hat was!
Erst noch großmütig die schöne Gegenspielerin retten und sich dann in sein Schicksal ergeben, ohne Klagen, ohne Gegenwehr. Das ist tapfer und irgendwie romantisch.
Allerdings gab es da zwei Haken. Erstens fehlte in seinem Fall die Gegenspielerin, selbst wenn er die vier weiblichen Ratsmitglieder in Betracht zog. Sie waren weder schön, noch verspürte Quart’ol irgendein Bedürfnis, sie zu retten. Und zweitens starb Gerard Butler nicht wirklich. Er tat nur so und konnte anschließend im Privatjet nach Hause fliegen, während man Quart’ols Leichnam ins freie Meer stoßen würde. Als Fischfutter.
Seine Stimmung sank, als sich plötzlich jemand durch die milchige Schleusenwand drückte. Einauge winkte Quart’ol heran und verschwand gleich wieder.
Bis ihm der Hydrit in den Versammlungsraum gefolgt war und vor dem Richtertisch anhielt, hatte der Quan’rill seinen Platz zwischen den anderen Ratsmitgliedern wieder eingenommen. Von dort aus lauschte er Skorm’aks Urteilsverkündung.
»Wir sind zu dem Schluss gekommen, Quart’ol, dass dein Tod die beste Lösung ist«, hob der Erste Meister an.
»Nicht für mich!«, widersprach Quart’ol aufgebracht.
Skorm’ak starrte ihn durchdringend an. »Unterbrich dieses Gericht noch einmal, und wir werden eine neuerliche Beratung ansetzen!«
Neuerliche Beratung? Um was zu tun? Ein härteres Urteil zu verhängen? Das klang ja, als gäbe es noch Hoffnung! Quart’ol senkte demütig den Kopf. So verharrte er eine ganze Weile.
Nichts geschah. Rede doch weiter, verdammt! Skorm’ak erlöste ihn schließlich und fuhr fort: »Durch die Geistesverschmelzung mit meinem Klon konnte ich deine Gesinnung prüfen, Quart’ol, und auch wenn mir einiges fragwürdig erscheint, glaube ich dennoch, dass man dir eine zweite Chance gewähren sollte.«
Fragwürdig? Was soll das heißen: fragwürdig? Ich habe nichts Unrechtes getan, empörte sich Quart’ol im Stillen. Doch lange konnte er über diese Frage nicht nachdenken, denn Skorm’ak trug schon im nächsten Moment etwas Unerhörtes vor. »Wir haben deshalb beschlossen, dich zu verbannen«, sagte er.
»Was?«
Skorm’ak nickte. »Du wirst direkt von Kalan Nauri aus ins Exil gehen, und wir erwarten dein Versprechen, weder zu Hydriten noch zu den Menschen Kontakt aufzunehmen. Unser Volk muss erst behutsam vorbereitet werden auf das, was dir der Wächter von Gilam’esh’gad erzählt hat.«
»Schön. Dann
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