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193 - Kurs in den Untergang

193 - Kurs in den Untergang

Titel: 193 - Kurs in den Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Posten nahmen ihre Runde wieder auf, und Quart’ol robbte von einem Pfahlbau zum nächsten, bis er dem Turm auf der Steuerbordseite so nahe gekommen war, dass er hinter den Scheiben im ersten Stock die Köpfe vieler Männer und weniger Frauen sah. Der Raum war notdürftig von Laternen erhellt.
    Allem Anschein nach fand dort eine Besprechung statt: Ein hoch aufgeschossener, knochiger blonder Mann ging auf und ab, schwang die Fäuste und hielt offenbar eine von Zorn geprägte Rede, die sich alle anderen mit steinerner Miene anhörten.
    »Sie haben sich seit Tagen in der Wolle, Zarah«, murmelte eine dunkle Frauenstimme über Quart’ol. »Es kann nicht mehr lange dauern, bis Swann ausrastet und den ersten seiner Kumpane umlegt.«
    »Ja, irgendein schießwütiger Blödian hat Commander Stanwyck erschossen, nachdem eine andere Null auf der Brücke eine Handgranate gezündet hat«, erwiderte Zarah, die wie ein Mädchen klang. »Jetzt haben sie keinen Steuermann mehr, der diesen Titel verdient, und müssen mit Bürschlein im ersten Lehrjahr Vorlieb nehmen. Ich wette, in spätestens drei Tagen laufen wir auf ein Riff. Und dann muss jeder selbst sehen, wie er nach Neuseeland kommt.«
    »Nur das nicht«, sagte die dunkle Stimme.
    Quart’ol drückte sich flach auf den Bauch und lauschte dem weiteren Gespräch. Er erfuhr, dass Zarah sich seit dem Putsch meist unter Deck versteckt hielt und nur in der Nacht ins Freie kam. Allem Anschein nach gehörte sie zu den Leuten, die den von einem gewissen Swann angeführten Meuterern ein Bein gestellt hatten.
    Der alte Führungsstab der HOPE war entweder tot oder unter Deck eingesperrt. Lieutenant Swann hatte ursprünglich alle Führungsoffiziere exekutieren lassen wollen, doch einige seiner Gefährten hatten zu bedenken gegeben, dass mit ihrem Tod auch dringend benötigtes Fachwissen verloren ginge: Nicht jeder Fähnrich konnte ein Schiff von solchen Abmessungen sicher über die Weltmeere führen – und schon gar nicht so »einparken«, ohne dass dabei Tausende ums Leben kamen.
    »Ich hau jetzt besser ab«, hörte Quart’ol Zarah sagen.
    »Ja, mach’s gut, und lass dich nicht erwischen.«
    Ein leises Quietschen ertönte. Die Scharniere eines Fensters? Ehe Quart’ol sich versah, machte es vor seiner Nase Plumps. Zwei beschuhte und behoste Beine landeten vor ihm auf dem metallenen Decksboden.
    Allerdings verlor die Besitzerin der Beine die Balance und fiel auf den Po. Eine Sekunde später ertönten ganz in der Nähe die Stimmen der patrouillierenden Wachtposten.
    Zarah stieß einen Fluch aus. Sie fuhr wie der Blitz herum und hechtete unter den Pfahlbau. Sie kam neben Quart’ol zu liegen und vollführte eine Drehung um hundertachtzig Grad.
    »Wenn du die Klappe hältst, Baby«, raunte Quart’ol ihr geistesgegenwärtig zu und drückte sich fest an den Boden, »hau ich dich auch nicht in die Pfanne.«
    ***
    Die Wachtposten gingen vorbei. Ihre Stimmen verklangen in der Ferne. Zarah lag unter dem Bordschwalben-Café, lauschte dem Rauschen des Blutes in ihren Schläfen und fragte sich, wer der vermummte Knabe war, der sich neben ihr ausstreckte.
    Seine Stimme klang irgendwie unamerikanisch, aber seine Ausdrucksweise war so unkonventionell wie die mancher elternloser Schiffsgören. Seit Joe-Bob Esterhazy hatte kein Mensch mehr Baby zu ihr gesagt. Das Bürschlein roch leicht nach Fisch, was ihr aber nichts ausmachte, da sie gern Fisch aß.
    »Wer bist du?«, raunte sie. »Kennen wir uns?«
    »Ich heiße Kwoddel.« Der Kleine presste sich ans Deck und tat alles, sein Gesicht in seiner Kapuze zu verstecken. »Ich bin… ein Freund von Commander Drax. Er ist vor ein paar Jahren mit einem… ähm… Flieger auf der HOPE gelandet. Erinnerst du dich an ihn?«
    »Und ob!« Ein paar Tage später hatte es geknallt. Jack Ibrahim und seine Freunde hatten Captain McNamara die Zähne gezeigt und seinen Leuten Saures gegeben. Hatte Commander Drax nicht an seinem Sturz mitgearbeitet? Zarah wusste es nicht; schließlich war sie damals erst dreizehn gewesen.
    »Bist du auch mit einem Flieger hier, Kwoddel?«, fragte sie.
    »Bist du allein gekommen? Warum zeigst du mir nicht, wie du aussiehst?«
    Kwoddel antwortete, er sei allein gekommen, übers Wasser – nicht mit einem Flieger. Sein Gesicht wollte er ihr nicht zeigen, damit sie ihn nicht beschreiben konnte, falls die Meuterer sie schnappten.
    Kwoddel war nicht nur sehr daran interessiert, alles über die Lage an Bord zu erfahren, er hatte auch was auf

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