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194 - Die Hölle der Erkenntnis

194 - Die Hölle der Erkenntnis

Titel: 194 - Die Hölle der Erkenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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an. »Du hättest mich aus dem Weg räumen und es noch einmal bei ihr versuchen können. Ungestört.«
    »Was soll das?!«, brauste Rulfan auf. »Habe ich dich am Schluss dem gefräßigen Gejagudoo überlassen, oder habe ich auf die Bestie eingeschlagen, bis sie dich losließ?«
    Matt antwortete nicht; er musste nicht antworten, denn beide kannten die Antwort. Rulfans Miene blieb undurchdringlich.
    »Es war ein schrecklicher Kampf, Maddrax. Manchmal stelle ich mir vor, ich hätte diesen goldenen Ritter erschlagen, sein Visier geöffnet und deinen gebrochenen Blick gesehen…« Er schloss die Augen und schüttelte sich, als würde ihn frösteln.
    »Entsetzlich!«
    Eine Zeitlang schwiegen sie. »Ich hasse denjenigen, der uns in diesen Zweikampf getrieben hat«, sagte Matt Drax irgendwann. »Ich hasse diesen Finder!«
    Rulfan blickte hinauf zum vergitterten Himmel. »Ich fürchte, das wird nicht die letzte Schweinerei gewesen sein, die er für uns ausgeheckt hat.«
    »Darum müssen wir zusammenhalten.« Matt rutschte zu Rulfan und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Eine Menge Schwierigkeiten warten auf uns«, sagte Matt. »Nur wenn wir ihnen gemeinsam die Stirn bieten, werden wir sie überstehen.«
    Rulfan nickte langsam. »So wie wir gemeinsam den verfluchten Gejagudoo besiegt haben.«
    »Genau so.« Matt setzte sich neben Rulfan. »Du liebst Aruula so wie ich – ich kann es nicht ändern. Es wird kommen, wie es kommen muss…« Er sah Rulfan ernst an. »Wir müssen mehr sein als Freunde, Rulfan. Werde mein Bruder!«
    »Dein… Bruder?« Rulfan hob die Brauen. »Wie bekommt man einen Bruder, wenn man keine Eltern mehr hat?«
    Matt öffnete seine Gurttasche und löste die scharfkantige Schnalle an. »Die Ureinwohner meiner Heimat pflegten lange vor ›Christopher-Floyd‹ ein Ritual. Sie schlossen Blutsbruderschaft mit Menschen, denen sie besonders vertrauten.« Matt setzte eine Kante der Metallschließe auf den Handballen der Rechten. »Man fügt sich eine blutende Wunde zu und legt sie auf die blutende Wunde des anderen.«
    »Sodass sich symbolisch das Blut vermischt.« Rulfan begriff.
    »Richtig«, sagte Matt heiser. »Dann fließt dein Blut in meinen Adern und meines in deinen, und wir sind Brüder.«
    »Und das bedeutet…?«
    »Wir schließen einen Bund, und der symbolische Blutaustausch ist wie die Unterschrift unter einen Vertrag: ›Mein Leben für dein Leben, deine Feinde sind meine Feinde, und wenn du mich rufst, werde ich kommen und dir beistehen, gleichgültig, wie tief der Sumpf ist, in den du geraten bist.‹«
    Rulfan nickte; er schien plötzlich noch bleicher als sonst.
    Matt Drax zog die blonden Brauen hoch und sah den Gefährten fragend an. Ein paar Atemzüge lang sprach keiner von ihnen ein Wort. Über ihnen, irgendwo im Lager der Telepathen, herrschte lautes Treiben.
    Schließlich streckte Rulfan auch seine Rechte aus und bot Matt die Innenseite. Er nickte.
    Matt Drax zog das Metallstück über seine Haut. Blut quoll aus dem Schnitt. »Du musst es selbst tun.« Er reichte dem anderen die Schnalle. Ohne zu zögern schnitt Rulfan sich in den Ballen, und augenblicklich füllte die Wunde sich mit Blut.
    Die Männer sahen einander an und gaben sich die blutenden Hände. »Mein Leben für dein Leben«, sagte Matt.
    »Mein Leben für dein Leben«, antwortete Rulfan.
    Nicht lange danach erschienen drei Anangu über ihnen am Rand der Grube. Sie beugten sich über das Gitter. »Der Ahne ruft euch!«, sagte einer. »Wir holen euch jetzt hoch.« Schwarze Finger schlossen sich um die Gitterstäbe und hoben das Gitter ab. Zum ersten Mal seit zwei Wochen sahen Matt Drax und Rulfan von Salisbury wieder ein Stück unvergitterten Himmel über sich.
    ***
    Die Sonne ging auf, ein farbenprächtiges Schauspiel in Rot und Orange und grellem Gelb. Grao’sil’aana hatte keinen Sinn für derartige Naturerscheinungen. Er lag flach und bäuchlings im Nacken des Rochens. Das behäbige Auf und Ab des großen fliegenden Körpers wiegte ihn in eine Art Dämmerzustand.
    Er erinnerte sich aber an so manchen Morgen, an dem er Daa’tan auf einem Baum, einer Mauer oder einer Ruine gefunden hatte, von wo aus der Junge das Schauspiel eines Sonnenaufgangs bestaunte. Oder das eines Sonnenuntergangs.
    Wie offenbar viele Primärrassenvertreter verband auch Daa’tan mit dem Aufgang des Zentralgestirns – und mit dessen Versinken – etwas Besonderes. Etwas, das ihn schweigen ließ, das seine Gesichtszüge entspannte und sein

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