1968 - Ketzer der Tazolen
geistig", widersprach Mangana. „Ich brauche dich wohl nicht daran zu erinnern, dass es deine Pflicht ist ..."
„Ich bin niemandem verpflichtet", unterbrach Vincent. „Im übrigen strengt mich dieses Gespräch sehr an. Ich sehne mich zurück zum Sonnentresor. Dort bin ich zu Hause, in meinem Elysium ..."
„Garron, du kannst dich nicht einfach aus der Verantwortung schleichen!" sagte Mangana. .„Du bist ..."
„Vincent, bitte, hör auf damit!"schrillte Tuyula Azyk dazwischen.. „Warum willst du uns denn nicht helfen?"
„Dieser Typ hier nervt mich", antwortete der Mutant. „Ich lasse mir von niemandem etwas befehlen noch irgendwelche Vorhaltungen machen. Außerdem habe ich die ständigen Untersuchungen satt. Er behauptet, alles über mich zu wissen, dabei hat er nicht die geringste Ahnung."
„Garron, Atlan ist persönlich hierher gekommen, um dich um Hilfe zu bitten!" sagte Mangana scharf. „Willst du nicht wenigstens mit ihm sprechen?"
„Ich bin müde. Ich bin krank. Ich verliere mich wieder." Vincent griff sich an den monströsen Kopf. „Ich kann mich nicht mehr konzentrieren, wenn ihr alle auf mich einredet... Lasst mich in Ruhe!"
Dann war er weg. Mangana klappte der Unterkiefer herunter. Tuyula drehte sich langsam zu ihm um. „Das ist allein deine Schuld!" zirpte sie empört. „Hättest du Vincent nicht so bedrängt, wäre er nicht abgehauen! Du hast ihn völlig überfordert, hast du das denn nicht gemerkt? Du kannst keine normalen menschlichen Maßstäbe mehr bei ihm ansetzen!"
„Es - es tut mir leid", stotterte der Chefmediker. „Aber wenn man länger mit Garron arbeitet, gehen einem irgendwann die Nerven durch."
„Ich kann das verstehen", versuchte Darla Markus zu trösten.
Sie wusste selbst, wie sehr die Zusammenarbeit mit dem Mutanten an die Psyche ging: Jeder hatte die Bilder der Garron-Opfer im Kopf, jeder wusste zugleich, dass mit seiner Hilfe zahlreiche Algioten-Raumschiffe zerstört worden waren. „Gibt es einen Erfahrungswert, wann Garron wieder zurückkehrt?" fragte Atlan ruhig. Julio Mangana schüttelte verneinend den Kopf. Tuyula machte eine hilflose Geste. „Ich habe Angst, dass er den Weg nie mehr findet", sagte sie leise mit hoher, dünner Stimme. Myles Kantor seufzte. „Ich fürchte, wir müssen es weiterhin auf konventionelle Weise versuchen."
3.
Vor 2400 bis 1900 Jahren: Tazolar
Solange er zurückdenken konnte, hatte Ver to Nisch sich für die Altertumsforschung interessiert. Es war eine angesehene Berufung, denn es gab nichts Wichtigeres als das Bewahren des alten Wissens, damit das Volk sich immer daran erinnerte, wofür es erschaffen worden war. Relikte der älteren Kultur zu finden bedeutete gleichzeitig, den Glauben zu festigen und zu untermauern. Denn immer wieder traten Skeptiker auf, die nicht sicher waren, dass das Weltbild und die Kultur der Tazolen schon immer so gewesen waren wie heute. Ver to Nisch hatte in seiner Jugend gezeigt, dass er hoch intelligent war. Das war wohl ein Ausgleich für seine körperliche Behinderung, mit der er geboren worden war: Der linke Arm war sehr viel kürzer als der rechte, und die Hand mit den Stummelfingern war zu kaum mehr als grober Arbeit zu gebrauchen.
Als Vertonir, wie er damals noch hieß, älter und im Gebrauch des Liandos unterwiesen wurde, befielen ihn in der Gebetstrance manchmal eigenartige Schüttelkrämpfe, und er gab Laute in der älteren Sprache von sich, die dem modernen Tazol lediglich ähnelte und die nur noch in Büchern zu finden war. Dies wurde dem Scoctoren Tar ig Pal zugetragen, der darin wiederum ein Zeichen von Theansu, dem Gott der alten Weisheit, sah. Behinderte galten häufig als gesegnet und wurden meistens Priester, doch Vertonir war mehr als das. Theansu wollte sich offensichtlich durch ihn den Tazolen offenbaren und das geheime Wissen für die Zukunft bewahren.
Vertonir erhielt eine besondere Ausbildung, um später in den Stand der Scoctoren aufsteigen zu können. Da er sich begeistert darin zeigte, stunden- - oder gar tagelang in alten Schriften zu blättern und den Staub vergangener Jahrhunderte zu atmen, war er somit ein wahrer Berufener. Nachdem Vertonir seine Ausbildung beendet und zu Ver to Nisch geworden war, stürzte er sich voller Elan in die Arbeit. Tazolar war erst in jüngerer Zeit kartographiert worden; wagemutige Seefahrer hatten sich aufgemacht, den Großen Ozean zu überqueren und nach anderen Ländern zu suchen.
Mittlerweile wusste man, dass Tazolar zu
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