197 - Der Geist im Kristall
Grao’sil’aana fixierte jeden Einzelnen aus seinen grauen Augen. (Zurück!)
Unter seinem Blick krümmten sich die Wirtskörper der vier Lin. Sie wälzten sich auf dem Boden. Ihr Jammern klang wie das Blöcken junger Yakks. Die Hal zögerten. Aber nur einen Atemzug lang. Dann preschten sie auf Grao’sil’aana zu.
Der Sil fackelte nicht lange. Den ersten der Angreifer, beförderte er mit einem knappen Befehl seiner Gedanken in die Wassersenke. Den zweiten ließ er rückwärts zu den Findlingen taumeln: Sein Echsenkörper kniete nieder und schlug seinen Schädel in gleichmäßigem Rhythmus gegen den dunklen Stein.
Den dritten zwang er vor sich zu Boden. (Zum letzten Mal! Wer hat euch geschickt?)
(Liob’lan’taraasis!), keuchte der Hal. (Sie war es!) Überrascht ließ Grao’sil’aana von den Daa’muren ab.
Liob’lan’taraasis?
Welchen Grund hatte die Lan, ihn überwachen zu lassen?
Noch dazu von unerfahrenen Lin und Hal! Während er nachdachte, nahm er über sich ein Rascheln wahr. Er riss seinen Kopf in den Nacken und entdeckte vier dunkle Gestalten in der Felswand. Sie starrten ihn aus schmalen Augen an. Es waren geflügelte Daa’muren, die zu Ordu’lun’corteez gehörten. Grao’sil’aana bebte. Hatten sich denn alle gegen ihn verschworen?
Die Hal und Lin halfen sich gegenseitig auf die Beine. Ohne den Sil aus den Augen zu lassen, schleppten sie sich zurück zu den Findlingen.
(Sagt euren Führern, sie sollen das nächste Mal selbst kommen, wenn sie etwas über mich wissen wollen!) Grao’sil’aana wandte sich ab. Mit geballten Klauen schlug er den Pfad zur Solhöhle ein
***
In der PARIS
»Verstehst du jetzt? Wir können nicht umkehren, Victorius!« Matt beugte sich über den Kartentisch. »Wir werden ohne den Finder auskommen müssen.«
Victorius schaute ihn aus großen blauen Augen an. Er hatte es sich in dem roten Sessel gemütlich gemacht. Seine Beine lagen auf dem Kartentisch und die Zehen seiner nackten Füße wippten vor Matt auf und ab. Seelenruhig schob er sich das nächste Stück Schinken in den Mund. Seit er wieder Herr über sich selbst war, aß er ohne Unterbrechung. »Komet, sagst du? Diese Brocken, die im All rumschwirren?«
Jetzt geht das wieder los! Matthew Drax richtete sich seufzend auf. Er hatte dem schwarzen Prinzen aus Afrika die Geschichte des Wandler erzählt: dass im Februar 2012 ein gewaltiger Komet auf die Erde gestürzt war. Die Menschen nannten ihn »Christopher-Floyd«. Der Gigant aus dem All zerstörte weite Teile der damaligen Welt. Er war im Nordosten Asiens niedergegangen, und diese Einschlagsstelle, der inzwischen trockengelegte Kratersee, war jetzt das Ziel der drei Männer. Denn der Komet war kein Komet gewesen…
»Außerirdische –«
Bevor Victorius seine Leier fortsetzen konnte, schlug Matt auf die Tischplatte. »Ja, verdammt! Er war in Wirklichkeit die Raumarche für -zigtausende Daa’muren, die seit über fünfhundert Jahren versuchen, unsere Welt zu zerstören! Und ja, der Wandler ist nicht nur ein Raumschiff, sondern ein lebender Organismus.« Matthew verschränkte die Arme. »Ein mächtiges Wesen, ähnlich wie dein Finder.«
Matt dachte an den Tag im Lager der Telepathen, als Rulfan und er erfahren hatten, dass der Wandler ein Lebewesen war.
Gauko’on, der Sprecher der Anangu, warnte vor dem Feind, der im Kratersee lauerte, und allmählich begriffen sie, dass damit erst in zweiter Linie die Daa’muren gemeint waren. [2] Victorius schwang seine Beine vom Tisch und tastete nach Titana. »Du musst keine Angst haben, mon cher!« Die Fledermaus hatte es sich auf seiner Schulter bequem gemacht.
Zärtlich strichen seine Finger über ihren hellbraunen Pelz.
»Alte Männer reden oft mal wirre Sachen!«
Matt versuchte das glucksende Lachen von Victorius zu ignorieren. Hilfe suchend schaute er zu Rulfan, der am Ruder im vorderen Teil der Gondel stand, aber der grinste nur.
»2012, sagst du. Durch einen Zeitriss bist du gefallen. Hierher, ins Jahr 2523… Mon dieu!«
Matt wollte schon auffahren, da überraschte ihn Victorius:
»Dieser Teil deiner Geschichte ist so abwegig nicht.«
»Was…?«
»Folgendes: Diese Geschichte kommt mir sehr bekannt vor. Auch mein Vater behauptete stets, durch die Zeiten gestürzt zu sein, und auch er sieht noch jung aus, als wäre seitdem keine Zeit für ihn vergangen, obwohl es bereits ein halbes Jahrhundert zurückliegt.«
Matt hätte gern etwas gesagt, aber ihm hatte es die Sprache
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