197 - Der Geist im Kristall
sie nicht mehr. Er widmete sich den Daa’muren, die ihn umzingelten: Die ersten Echsengestalten taumelten zur Seite.
Andere wurden einfach von den Füßen gerissen.
Wana’lun’kadaars Aura griff nach Liob’lan’taraasis. (Du wirst deinen Leuten jetzt befehlen, den Weg freizugeben!) Liob’lan’taraasis keuchte unter seinem mächtigen mentalem Griff. Aber noch gab sie nicht auf! Bevor sich die Gedanken des Lun in ihrem Geist verankern konnten, griff sie zu einer List: Sie stellte sich vor, wie der Riesenrochen über sie hinweg flog! (Thgáan! Jetzt!)
Der Griff des Lun lockerte sich. Sein Echsenschädel hob sich gen Himmel. Aber er suchte vergeblich nach dem Lesh’iye!
In diesem Moment schleuderte Liob’lan’taraasis ihren Wischkuu. Er pfiff durch die Luft und drehte sich mit einem knirschenden Geräusch in Wana’lun’kadaars Kehle.
Der war zu überrascht, um auszuweichen oder die tödliche Waffe umzulenken. Er wirbelte röchelnd herum. Der ungläubige Blick seiner grauen Augen streifte das Gesicht der Daa’murin. Dann brach er tot zusammen.
»Kommt ihm nicht zu nahe! Sein Geist soll erlöschen und keine Gelegenheit haben, sich eine neue Körperhülle zu nehmen.« Damit wandte sich Liob’lan’taraasis den Daa’muren in der Schneise zu.
Die Wana wichen vor ihr zurück. Noch nie hatte ein Daa’mure der unteren Ränge eine solche Strafaktion durchgeführt. Dieses Recht hatte nur der Sol!
Liob’lan’taraasis ließ ihnen keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie wandte sich an den jungen Hal mit der hängenden Unterlippe. »Kehrt um und wartet auf den Ruf des Sol!«
Der Hal gehorchte widerwillig. Auf sein Zeichen hin zogen sich die Wana zurück. »Möge der Sol nicht zu lange warten!«, rief er zum Abschied. »Wir sind nicht die Einzigen, die dem Wandler folgen wollen!«
Liob’lan’taraasis beobachtete, wie er hinter der Schneise verschwand. Sie wusste, dass er Recht hatte. Und sie wusste auch, dass die Nachricht über ihre Strafaktion sich wie ein Lauffeuer verbreiten würde. Vielleicht würde sie einige Lun davon abhalten, ihre symbiotischen Einheiten zum Kratersee zu führen. Mit Sicherheit aber würde sie den Unmut gegen den Sol schüren, in dessen Auftrag Liob’lan’taraasis unterwegs war und tat, was getan werden musste
***
In der Höhle des Sol
Es war still in der Kristallkammer. In der Mitte des Raumes thronte die große Gestalt des Sol in einem Sitz aus geschliffener Lava. Sein Blick wanderte über den runden Quarztisch, an dem Est’lun’bowaan, Grao’sil’aana und Thul’lun’heeskel Platz genommen hatten.
Ora’sol’guudo heftete seine funkelnden Augen auf den Lun, der den Wandler als neuen Führer ausgerufen hatte.
»Thul’lun’heeskel, was wollen diese Lan in meiner Höhle?« Er zeigte an die gegenüber liegende Wand: Auf sieben dunklen Steinblöcken saßen Daa’muren. Zwischen ihnen ragten kleinere Kristalle aus dem Boden. Sie tauchten die regungslosen Echsenkörper in grünes Licht.
Thul’lun’heeskel wand sich auf seinem Stuhl. Die Schuppen seines Wirtskörpers raschelten. »Sie sind hier zu meinem persönlichen Schutz!«
Etwas wie ein Seufzen entwich der Kehle Ora’sol’guudos.
Er senkte seinen mächtigen Schädel und spielte mit dem Kristallsplitter in seiner Klaue.
Est’lun’bowaan reckte den Hals, um besser sehen zu können: Der faustgroße Splitter war ein Kontrogav-Modul.
Eine effektive Waffe, um einen Gegner zu betäuben oder zu beeinflussen. Früher auf Daa’mur waren die Module zum Antrieb ihrer Magmafahrzeuge genutzt worden. Auch Est’sil’bowaan trug ein Modul bei sich, verborgen in einer seiner Hauttaschen. Aber die Waffe des Sol unterschied sich in Farbe und Form von dem seinen. Sie war größer und leuchtete grün.
Ora’sol’guudo glitt aus seinem Sitz. »Seit wann brauchst du Schutz in der Höhle deines Sol? Und seit wann ist es den Lan erlaubt, auf den sieben Steinen der Lun zu sitzen?!« Seine Stimme donnerte durch die Kammer. Erschrocken sprangen die Lan von den Steinblöcken. Thul’lun’heeskel zog den Kopf ein.
»Schaff sie hier raus! Schnell!«, knurrte der Sol.
»Wir bleiben!« Einer der Lan trat nach vorn. »Wir bleiben!«, wiederholte er mit bebender Stimme.
Ora’sol’guudo atmete einmal ein und einmal aus. Er öffnete seine Faust. Der Kristallsplitter leuchtete hell. Wie von Geisterhand bewegt stieg er in die Luft.
Der Lan wich zurück – zu spät! Der Kristallsplitter schoss wie ein Blitz auf ihn zu. Doch er
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