198 - Sohn und Dämon
nach links und rechts, sondierte Geräusche, versuchte Umrisse von Schatten zu identifizieren. In einer der Zelte und Hütten schnarchte jemand, irgendwo lachte jemand im Schlaf, von irgendwoher näherten sich Schritte, und vor einem Unterstand schliefen ein paar kleine Kamauler.
Der Uluru war ein himmelhoher schwarzer Wall unter den Sternen und doch nur dreihundert oder vierhundert Schritte entfernt. Daa’tan musste daran denken, dass ein ungeheuerliches Wesen unter dem steinernen Koloss hauste – seine Nackenhaare richteten sich auf, und er fröstelte.
Irgendwo am linken Rand des Lagers flammten plötzlich zwei kleine Lichter auf.
Und dann spürte er wieder die Nähe seiner Mutter. Keine Schmerzimpulse diesmal, auch kein Gedanke oder ein mentales Bild – es war einfach nur die charakteristische Ausstrahlung eines vertrauten Geistes, die ihn anrührte. Kerzengerade hockte er und lauschte mit halb geschlossenen Augen. Die Gewissheit, dass seine Mutter hier war, versetzte ihn in halb freudige, halb ängstliche Erregung.
Er stieß sich von der Hüttenwand ab, huschte zwischen Zelte und Hütten, robbte auf dem Bauch den beiden Lichtern entgegen. Es waren Fackeln, die vor dem Eingang eines mit bunten Ornamenten bestickten Zeltes aus dem Boden ragten.
Etwa hundertzwanzig Schritte davor blieb er reglos am Boden liegen und lauschte den sich nähernden Schritten. Sechs schwarze Krieger tauchten zwischen den Hütten und Zelten auf. Vier von ihnen trugen einen schlaffen Körper; den Körper einer Frau: seine Mutter!
Er erkannte sie vor allem an der Ausstrahlung ihres Geistes, aber auch an der schwarzen Haarpracht, die von den Fellen, in die man sie gewickelt hatte, offen fast bis zum Boden hinab hing. Sie war wach, sie war verletzt, doch sie schien keine Schmerzen zu haben.
Der Hass auf die Anangu, die sie in das bunte Zelt hineintrugen, und seine Erleichterung darüber, sie lebend gefunden zu haben, rissen Daa’tan hin und her. Am liebsten wäre er aufgesprungen und in das Zelt gestürmt, hätte Nuntimor geschwungen und diesen verfluchten Kerlen die Schädel abgeschlagen.
Die Vernunft siegte schließlich – er blieb liegen. Von Leidenschaft getrieben das Zelt zu stürmen, hätte seine Mutter und ihn in Lebensgefahr gebracht und weiter nichts.
Zähneknirschend beobachtete er also das Zelt. Er überlegte fieberhaft – was sollte er tun, wie konnte er es schaffen, zu seiner Mutter zu gelangen, ohne ihre Leben zu gefährden?
Vier Anangu verließen das Zelt wieder. Zwei postieren sich als Wachen rechts und links des Eingangs, zwei huschten zwischen die Zelte und Hütten und entfernten sich. Ihre Gestalten verschwammen mit der Dunkelheit.
Zwei schwarze Krieger bewachten seine Mutter also innerhalb des Zeltes. Hielt sich sonst noch jemand darin auf?
Gut möglich. Vielleicht ein Folterknecht, vielleicht ein Anführer der Anangu, vielleicht ein Heiler. Daa’tan musste mit allem rechnen.
Irgendwo hinter ihm gähnte plötzlich jemand. Daa’tan wälzte sich durch das dürre Gras, bis er dicht an der Plane eines Unterstandes lag. Hinter der Plane hörte er Atemzüge. Er spähte in die Dunkelheit. Eine Gestalt trat aus einer Hütte. Sie blieb einen Moment stehen, streckte sich und legte den Kopf in den Nacken, als betrachte sie den Sternenhimmel. Dann schlurfte sie zu einem Baum, der zwanzig Schritte weiter zwischen den Behausungen stand. Ein paar Atemzüge später hörte Daa’tan einen Wasserstrahl gegen den Stamm plätschern.
Er packte sein Schwert, richtete sich auf und huschte ebenfalls zu dem Stamm. Hinter dem sich erleichternden Mann richtete er sich auf und holte aus. Zuerst wollte er dem Ahnungslosen von hinten das Schwert in den Rücken stoßen, doch dann machte er sich klar, dass auch das kleinste Geräusch ihn verraten und seine Mutter in Gefahr bringen würde. Also ließ er die Klinge sinken und schlich näher an Mann heran. Der beendete seine Notdurft, schüttelte das Wasser ab und machte Anstalten, seine Gerätschaft wieder einzupacken.
Daa’tan sprang ihn von hinten an, presste ihm die Linke auf den Mund und zog ihm mit der Rechten die Klinge über die Kehle. Der tödlich verwundete Telepath zuckte ein paar Mal, dann erschlaffte sein Körper. Während er sterbend zu Boden sank, zog ihm Daa’tan seinen Mantel von den Schultern und schlüpfte hinein.
Er wartete ab, bis der Sterbende endgültig verblutet war.
Danach schob er sich das Schwert unter den erbeuteten Mantel in den Gürtel und schlich
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