1981 - Richard
fallen ja eigentlich genug Schulstunden aus, darum verstehe ich nicht, warum die so eine Konferenz nicht in die Ferien legen.«
Florence zuckte mit den Schultern. »Weil eben Ferien sind«, kommentierte sie.
Sie schnitt ein Brötchen auf und pulte den weichen Kern aus beiden Hälften. Sie liebte es, diesen Teil des Brötchens nur mit Butter zu beschmieren und so in den Mund zu stecken. Croissants gab es heute Morgen nicht. Colette kaufte sie grundsätzlich nicht, weil sie ihr hier in Deutschland nicht richtig schmeckten. Dafür hatte sie aber sieben Sorten Käse, die Florence an diesem Morgen fast alle probierte.
»Wann wolltest du mit mir in deinen Wellnesstempel?«, fragte sie.
»Heute Nachmittag«, antwortete Colette und nahm noch einen Schluck Kaffee. »Ich habe extra einen Termin vereinbart, wegen der Massagen.«
»Massagen?«, wiederholte Florence.
»Ja, ich sagte doch es ist ein Wellnesstempel, mit allem drum und dran, lass dich überraschen.«
»Gut, dann lasse ich mich eben überraschen. Und was machen wir heute Vormittag noch?«
»Zu was hast du denn Lust?«, fragte Colette. Sie wollte gerade noch einmal in ihr Brötchen beißen, hielt aber in der Bewegung innen und sah ihre Freundin an.
»Du darfst jetzt aber nicht lachen«, antwortete Florence. Sie hielt sich verschwörerisch den Finger an die Lippen. »Ich will meinem Bruder eine Lederhose kaufen. Eine von diesen kurzen Trachtenhosen.«
»Was soll er denn damit?« Colette biss endlich ab und kaute genüsslich.
»Ganz einfach«, erklärte Florence. »Er segelt doch. Er hat ein kleines Boot. Bei den Wendemanövern muss er auf der Bordwand herumrutschen. Es kommt häufig vor, dass er mit der Shorts oder Hose irgendwo hängen bleibt. Er braucht also etwas Robusteres und da habe ich eben an so eine bayerische Lederhose gedacht. Ich habe sogar heimlich eine seiner Shorts mitgenommen, wegen der Größe.«
»Und du glaubst, er zieht so etwas an?«, fragte Colette ungläubig.
»Wenn ich sie ihm schenke. Vielleicht nehme ich sogar zwei, falls sie ihm gefallen, denn so oft bin ich ja auch nicht hier.«
»Eine Krachlederne in der Südsee.« Colette musste lachen. »Gut, dann gehen wir heute morgen eben shoppen, das wäre ohnehin auch mein Vorschlag gewesen, es sei denn du hättest noch etwas Ruhe gebraucht.«
Sie frühstückten bis kurz nach neun und machten sich dann auf den Weg. Als Colette die Garage öffnete, stellte sie überrascht fest, dass Simon nicht wieder seinen Wagen zur Arbeit genommen hatte.
»Oh, das ist blöd«, stöhnte sie. »Ich hatte eigentlich keine Lust, mit dem Riesending durch die Stadt zu fahren. Komm, lass uns eben noch schnell bei Simon im Büro vorbeischauen und den Wagen tauschen. Ich möchte mein Cabriolet zurück, auch wenn wir heute nicht offen fahren können.«
Florence nickte. Sie musste an das Gespräch vom Vortag denken. »Ich fürchte«, sagte sie lachend, dass ich mit Simons Kombi wenig Eindruck auf die ledigen Herren machen werde, mit denen du mich am liebsten verkuppeln möchtest. Die denken eher, ich bin eine Mutter auf Einkaufstour.«
Colette schüttelte den Kopf, musste aber auch lachen. Sie stiegen in den Wagen und fuhren langsam rückwärts aus der Garage heraus, die Einfahrt hinunter auf die Straße. Das Garagentor schloss sich automatisch, nachdem Colette die Fernbedienung betätigt hatte. In wenigen Minuten hatten sie die Wohnsiedlung verlassen und befanden sich auf dem Weg zum Kunst- und Auktionshauses Blammer.
*
Georg Staffa saß an seinem Schreibtisch und sah sich die Übersicht an. Alle Anwälte der Kanzlei und auch die Partner hatten sich noch vor fünf Minuten getroffen und jeder gab ein kurzes Briefing ab, über die Fälle, die er gerade bearbeitete. Georg sah auf die Uhr. Pünktlich um zehn klingelte sein Telefon. Er nahm ab.
»Sie müssen los, Herr Staffa. Der Termin vor Gericht beginnt in einer halben Stunde.«
»Danke. Ich komme sofort. Haben sie alle Unterlagen zusammen?«
»Selbstverständlich, die Klageschrift und die Gerichtskorrespondenz. Der Mandant trifft sie vor dem Gerichtsgebäude.«
»Danke!« Er legte wieder auf.
Georg erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und streckte sich. Er ging zum Schrank, öffnete eine der Türen und betrachtete sich in dem kleinen Spiegel, der innen an der Schranktür befestigt war. Er strich sich mit der Hand über das Haar, noch hatte er nichts an sich auszusetzen, keine grauen Strähnen, keine übermäßigen Falten um die Augen. Er verzog das
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