1981 - Richard
Pappe lag und brachte sie ins Haus. Er betrat den kleinen Abstellraum, von dem aus es nach unten in den Keller ging. Er legte die Pappe auf die geschlossene Luke über der Kellertreppe und kehrte zurück, um Florence zu helfen.
Einige Stunden später saßen er und Florence auf der hinteren Veranda bei einem Glas Wein. Es war schon dunkel draußen und Florence glaubte auf dem Meer das Blinken einer Positionslampe zu erkennen.
»Eine Yacht«, meinte Georg.
»Oder ein Fischerboot.«
Das Licht verschwand wieder für einige Sekunden hinter den Bäumen, die den Blick auf das offene Meer unterbrachen. Georg nahm Florence Hand und drückte sie sanft.
»Mir fällt ein, dass ich noch eben schnell etwas erledigen muss«, sagte er leise und ließ ihre Hand wieder los.
Er erhob sich und ging durch das Wohnzimmer über den Flur in den Abstellraum. Er griff nach der Pappe, in der sich die Zeichnung befand, klemmte sie sich vorsichtig unter den Arm und zog dann an dem Ring im Boden die Luke auf. Er klappte sie ganz nach oben, damit er die Treppe darunter betreten konnte. Das Licht im Keller schaltete sich ein. Für die ersten Stufen gab es kein Geländer und Georg stützte sich am Fußboden ab. Er ging hinunter in den Keller, an den Vorratsregalen vorbei. Der Keller bestand aus zwei Räumen, die hintereinander angeordnet waren. Der Vorratsraum war vier Meter breit und sechs Meter lang. An seinem Ende befand sich eine Stahltür, die aussah wie der Schottdurchgang auf einem Schiff. Die Zarge bildete eine Stufe, etwa zwanzig Zentimeter über dem Boden. Georg entriegelte die Hebel, die sich oben und unten an der Stahltür befanden. Beim Öffnen lösten sich die Gummis der Türdichtung mit einem leichten Zischen. Der Raum hinter der Stahltür war klimatisiert, im Gegensatz zu dem vorderen Kellerraum, in dem es aber trotzdem angenehm kühl war. Georg zog die Stahltür vollständig auf. Der Raum dahinter war nicht so zweckmäßig eingerichtet, wie der Vorratsraum. Es gab einen Teppichboden, richtige Möbel und ein Etagenbett. Der Raum war etwas kleiner als der Vorratsraum. Er war mit einer Fläche von vier mal vier Metern quadratisch. Es war fast schon gemütlich. Es gab sogar einen kleinen Fernseher und eine Stereoanlage. Zum Glück waren Georg und Florence noch nie gezwungen, den Schutzraum aufzusuchen. Im Falle eines heftigen Sturmes waren sie aber vorbereitet.
Georg duckte sich beim Betreten des Raumes. Er legte die Pappe auf das obere der beiden Betten, nahm die Zeichnung heraus und ging zu einem Sideboard, das an der Wand gegenüber dem Etagenbett stand. Er betrachtete sich das gerahmte Ölgemälde, das über dem Sideboard hing.
Die beiden Mädchen sahen ihn an. Sie trugen keinen Sonnenhut, nur auf der Zeichnung trug Julie den Sonnenhut. Das Boot und der Strand waren aber sowohl auf der Zeichnung als auch auf dem Ölgemälde dargestellt, aber die beiden Mädchen hockten nicht im Sand, sondern auf einer Rasenfläche, die den Strand zu begrenzen schien. Georg hob die Zeichnung in Höhe des Ölgemäldes. Das Ölgemälde war mehr als dreimal so groß. Er verglich die beiden Bilder. Natürlich waren die Farben des Ölgemäldes überwältigend. Dann ging Georg ganz dicht an das Gemälde heran. Seine Hände glitten über die Leinwand, ohne sie zu berühren. Er sah sich jeden Zentimeter genau an. Er beugte sich tief nach unten, um schließlich die Signatur zu lesen. Auf dem Ölgemälde gab es nur die Signatur und daneben die Jahreszahl. Ein Titel, wie er sich auf der Zeichnung befand, fehlte. Georg stellte die Zeichnung schließlich aufrecht auf das Sideboard, an die Wand gelehnt, so dass es sich mittig unter dem Ölgemälde befand. Er ging ein paar Schritte zurück und sah sich die beiden Bilder aus zwei Metern Entfernung an. Er hörte Schritte, Florence trat neben ihn, legte ihm die Arme um die Hüfte und folgte seinem Blick zur Wand.
»Wie lange«, sagte sie leise. »Wie lange waren diese Bilder voneinander getrennt.«
»Seit 1903«, erwiderte Georg, obwohl ihm schon bewusst war, dass Florence die Antwort kannte, sie kannten sie aus Yvette Jasolines Tagebüchern und sie kannten auch die Geschichte der Zeichnung, soweit Julie Jasoline es selbst berichtet hatte.
»Was steht denn in Yvettes Tagebuch, wann hat sie mit Thérèse die Insel verlassen?«
Was geschah vor »FÄLSCHUNG« ?
Ole R. Börgdahl - Die Journale (Roman in 2 Bänden)
Yvette 1890-1938 ; Julie 1909-1958 ; Thérèse 1938-1961
Achtung! Roman »Fälschung«:
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