1983 - Der Sonnentod
hingen in traurigen Fetzen hinab. Nichts erinnerte mehr an die Aura der Autorität, die der Scoctore bis zu diesem Augenblick trotz seiner Gefangennahme ausgestrahlt hatte, an seinen Hochmut, die penetrante Überheblichkeit.
Niemand half ihm, sich aus dem braunen, schlammigen Wasser zu erheben.
Atlan sah ihn an. „Hat Nachto Blitze und Feuer aus dem Himmel geschleudert, um dich zu retten?" fragte er. „Hat der geflügelte Xion dir die Fähigkeit des Fluges verliehen, um dich aus dem Würgegriff des Ungetüms zu befreien?"
Dro ga Dremm bot ein Bild des Elends. Seine straff gespannte Haut schimmerte wie immer feucht, nun aber vor Schlamm und Schlick. Seine durchnäßte Kleidung ließ jede Erhabenheit vermissen. Doch er überzeugte sich, daß das Liandos noch an der Kette um seinen Hals hing, schüttelte sich, daß Wassertropfen und Pflanzenreste meterweit flogen, und sah Atlan trotzig an.
„Kalcham hält seine Hand über mich", krächzte er nun wütend auf arkonidisch, als wolle er uns beweisen, daß er die Sprache während unserer Haft gelernt hatte, „und Gaintanu wird euch fürchterlich strafen."
Ich lachte laut auf, doch Atlan warf mir einen finsteren Blick zu, und ich verstummte wieder. Der Unsterbliche zog mich ein Stück beiseite. .
„Such die Waffe!" sagte er so leise, daß der Tazole seine Worte nicht verstehen konnte. „Und habe ich dir nicht aufgetragen, die Augen aufzuhalten?"
„Der Angriff kam völlig überraschend", sagte ich, „ich konnte nicht mehr reagieren ..."
„Du hast dieses Raubtier schon gesehen, als wir die Insel verließen", fuhr mir der Ex-Imperator ins Wort. „Danach aber nicht mehr? Wie es uns umkreiste, immer knapp außerhalb unserer Reichweite, wie das Wasser sich leicht kräuselte, wie es jede Deckung nutzte, jeden Baum, jede Schilfgrasbank ..."
Ich schluckte.
„Und jetzt such endlich diese verdammte Waffe!" fuhr der Unsterbliche mit mühsam unterdrücktem Zorn fort.
Ich bebte am ganzen Körper, sagte jedoch kein Wort mehr. Jede weitere Silbe wäre ein Fehler gewesen.
Atlan hatte mich von Anfang an durchschaut.
Wütend kehrte ich zu der Stelle zurück, an der ich gestanden hatte, als der Angriff erfolgte, und ließ mich auf die Knie hinab. Mit der unverletzten Hand tastete ich wieder den Schlick ab. Ich konnte nicht verhindern, daß der gebrochene Arm fast bis zur Schulter ins Wasser hing.
Es brannte, als hätte man Salz in die Wunde gerieben. Aber ich biß die Zähne zusammen, und kein Laut kam über meine Lippen.
Atlan hatte es vermieden, mich vor den anderen bloßzustellen, mich unter vier Augen gerüffelt. Ich mochte Dro ga Dremm zwar hassen wie Imperator Bostich persönlich, wußte aber, wann ich verloren hatte.
Jeder Streit mit dem Unsterblichen hätte mich nur noch tiefer ins Unrecht gerückt.
Endlich berührten meine Finger etwas, das sich nicht warm, faulig, feucht, glitschig, weich und zerbröselnd anfühlte, sondern hart und metallen. Ich schloß die Hand darum und richtete mich auf.
Triumphierend schwenkte ich den Beidhand-Strahler.
Und schrie dann gellend auf.
Unter dem Verband um meinen linken Arm hatte sich etwas bewegt.
3.
Bericht Kantor
19. März 1991 NGZ
Ganzetta hatte etwas.
Ein Charisma, wie man es normalerweise immer uns relativ Unsterblichen nachsagte. Ich habe nie verstanden, was damit gemeint ist, aber ich war auch ein Außenseiter in den Reihen derjenigen, denen ES einen Zellaktivator verliehen hatte. Ich war mir unter ihnen stets farblos vorgekommen.
Doch von Ganzetta ging eine Aura aus, die mich von dem Augenblick an, da ich ihn zum erstenmal sah, in den Bann schlug.
Es war die Paarung aus animalischer Kraft und Intellekt, die mich dermaßen faszinierte. Das geschmeidige Fell über dem muskulösen Körper, der nur darauf zu warten schien, jeden Augenblick zu hektischer Aktivität zu explodieren. Der eindrucksvolle Raubtierkopf mit den aufragenden und spitzen Ohren, die unablässig in Bewegung, aber meistens dem zugewandt waren, der gerade sprach. Manchmal drehten sie sich jedoch genau in die andere Richtung, als wolle der Silberwolf, wie Atlan ihn nannte, nicht die leiseste Bemerkung von den hinteren Rängen versäumen. Die Vielfalt der Gesten, manchmal sparsam, manchmal übertrieben. Aber stets ging die Körpersprache des Wlatschiden eine perfekte Symbiose mit seiner Argumentation ein und trug dazu bei, seine Zuhörer von seinen Ansichten zu überzeugen.
Und die waren durchweg solide. Was Ganzetta sagte, hatte
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