1983 - Der Sonnentod
Hand und Fuß. Mochte seine Gestik auch exzessiv wirken, sein Verstand war messerscharf. Und genau dieses Zusammenspiel bildete das ungewöhnliche Charisma des Wlatschiden. Geradezu überquellende Körperlichkeit, die mir fast schon fremd war, vereinigte sich mit beeindruckender Intelligenz zu einem fast widersprüchlichen, andererseits aber unglaublich harmonischen Gesamtbild.
Ganzetta war mittlerweile von der GANIRANA an Bord der PYXIS gekommen und faßte die Situation kurz zusammen. Ich kam mir in seiner Gegenwart irgendwie fehl am Platz vor, fast schon überflüssig. Wäre doch nur Tekener an Bord der PYXIS gewesen! Er wäre der ideale Mann für die Koordination unserer Aktivitäten. Ich hingegen mußte eingestehen, daß ich mit den Gedanken ganz woanders war und diesen Teil der Vorbereitungen liebend gern dem Wlatschiden mit dem silbernen Fell überließ.
Ich war Wissenschaftler, kein Stratege. Und auch kein Pokerspieler.
„Das System der Sonne Eleprysi besteht bekanntlich aus vierzehn Planeten", sagte Ganzetta. „Uns interessieren vordringlich die vierte Welt, Holter, und die fünfte, Kappan, ein Wüstenplanet. Atlan und die Überlebenden der ANUBIS werden offensichtlich auf der HEDO RU GIOR festgehalten, und die befindet sich unseren Informationen zufolge irgendwo zwischen diesen beiden Planeten."
Ich riß mich zusammen und griff in das Briefing ein. „Die Algiotischen Wanderer haben weiterhin mindestens dreitausend Einheiten im Eleprysi-System stehen. Es findet eine ständige Fluktuation statt, genaue Zahlen sind schwierig zu eruieren. Vor allem in letzter Zeit kommen bekanntlich zusätzliche Bewegungen hinzu."
„Ein offener Schlag gegen die Invasoren kommt also nicht in Frage", fuhr der Silberwolf fort. „Zwar könnten wir tausend Wlatschidenschiffe zusammenziehen und in den Kampf führen, aber das Risiko für die Gefangenen wäre zu groß. Doch ich werde nicht untätig zusehen, wie Atlan und seine Kameraden mit den Algioten untergehen. Wir werden die Überlebenden der ANUBIS befreien."
„Und wie hast du das vor", warf ich ein, „wenn wir zahlenmäßig so hoffnungslos unterlegen sind?"
Ganzetta hielt kurz inne und musterte mich. Ich machte Respekt in seinem Blick aus, Achtung vor dem, was er über mich in Erfahrung gebracht hatte, aber auch Interesse und Neugier.
„Seit einiger Zeit herrscht ja diese hektische Aktivität im Eleprysi-System", sagte er dann. „Zahlreiche Funksprüche, die meisten verschlüsselt und unterlichtschnell, so daß sie uns noch nicht erreicht haben oder aber so schwach, daß wir ihnen nichts entnehmen können. Massive Flottenbewegungen, hauptsächlich zwischen dem vierten und fünften Planeten. Des weiteren ein Aufmarsch am Rand des Sonnensystems. Es hat den Anschein, als sei irgend etwas passiert. Etwas von Bedeutung."
„Und die Präsenz der Algioten verhindert natürlich, daß wir in das System eindringen und herausfinden, was geschehen ist. Zumindest möchte ich darauf verzichten, bis wir wirklich keine andere Möglichkeit mehr haben."
„Wie ihr wißt, haben wir auf dem fünften Planeten eine Beobachtungsstation eingerichtet", fuhr Ganzetta fort. „Der Feind hat sie bislang noch nicht entdeckt. Die Besatzung des Postens Kunshan besteht aus fünf Personen, ihr Kommandant heißt Vottena. Er hört permanent den Funkverkehr der Tazolen ab. Daher kennen wir auch Atlans Aufenthaltsort."
„Warum unterhalten die Wlatschiden eine Station auf dem vierten Planeten eines Sterns, der fünfundsechzig Lichtjahre vom Sonnentresor entfernt ist und bislang nicht die geringste strategische Bedeutung gehabt habt?" fragte ich.
Diesmal sträubte sich Ganzettas Backenbart, und einen Moment lang glaubte ich, er würde zornig hochfahren. Doch dann kniff er lediglich die Augen zusammen.
„Holter ist eine üppige Dschungelwelt mit einer Fauna, die buchstäblich in den Himmel wächst. Bäume von einhundertfünfzig Metern Höhe sind keine Seltenheit. Unzählige Arten von Saurierabkömmlingen stellen die vorherrschende Lebensform dar. Aber hier hat sich auch eine intelligente Lebensform entwickelt, die sich im Übergang vom Steinzeitalter in die Bronzezeit befindet. Wir fördern die Holterer sehr behutsam durch ein so
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genanntes Evolutionsprogramm. Das heißt, wir sind ihnen bei ihrer Entwicklungbehilflich, überfordern sie jedoch keinesfalls, indem wir sie mit ihnen unbekannten Errungenschaften konfrontieren. High-Tech ist für Holter tabu."
Bewußt fiel ich Ganzetta
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