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1984

1984

Titel: 1984 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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bedeutet. Gleichzeitig läßt das Bewußtsein, im Kriegszustand und deshalb in Gefahr zu sein, es als die natürliche, unvermeidliche Bedingung für ein Weiterleben erscheinen, die gesamte Macht in die Hände einer kleinen Kaste zu legen.
    Der Krieg erfüllt nicht nur, wie man sehen wird, das notwendige Zerstörungswerk, sondern erfüllt es 86
    George Orwell – 1984
    auch in einer psychologisch annehmbaren Weise. Im Prinzip wäre es ganz einfach, die überschüssige Arbeit der Welt dadurch verpuffen zu lassen, daß man Tempel und Pyramiden baut, Löcher gräbt und sie wieder zuschüttet, oder sogar große Mengen von Gütern erzeugt und sie dann verbrennt. Aber damit wäre nur die wirtschaftliche, nicht aber die gefühlsmäßige Basis für eine hierarchische Gesellschaftsordnung geschaffen.
    Es geht hier nicht um die Moral der Massen, deren Einstellung unwichtig ist, solange sie fest bei der Arbeit gehalten werden, sondern um die Moral der Partei selbst. Sogar von dem einfachsten Parteimitglied wird erwartet, daß es in engen Grenzen fähig, fleißig, ja sogar klug ist, jedoch ist es ebenfalls unerläßlich, daß der Betreffende ein gläubiger und unwissender Fanatiker ist, dessen hauptsächliche Gefühlsregungen Angst, Haß, Speichelleckerei und wilder Triumph sind. Mit anderen Worten, es ist notwendig, daß er eine dem Kriegszustand entsprechende Mentalität besitzt. Es spielt keine Rolle, ob wirklich Krieg geführt wird, und da kein entscheidender Sieg möglich ist, kommt es nicht darauf an, ob der Krieg gut oder schlecht verläuft. Es ist weiter nichts nötig, als daß Kriegszustand herrscht. Die verstandesmäßige Zweiteilung, die die Partei von ihren Mitgliedern verlangt und die leichter in einer Kriegsatmosphäre zustande kommt, ist heute fast allgemein, aber je höher in den Rängen man hinaufkommt, desto deutlicher wird sie. Gerade in der Inneren Partei sind Kriegshysterie und Feindhaß am stärksten vertreten. In seiner Eigenschaft als Administrator muß ein Mitglied der Inneren Partei oft wissen, daß dieser oder jener Punkt der Kriegsmeldungen unwahr ist, und er mag sich häufig bewußt sein, daß der ganze Krieg Spiegelfechterei ist und entweder nicht stattfindet oder aus ganz anderen als den angeblichen Gründen ausgefochten wird: Aber dieses Wissen wird leicht durch die Anwendung des Zwiedenkens neutralisiert. Mittlerweile schwankt kein Inneres Parteimitglied einen Augenblick in seinem mystischen Glauben, daß der Krieg echt ist und mit einem Sieg enden muß, bei dem Ozeanien als der unbestrittene Beherrscher der ganzen Welt hervorgeht.
    Alle Mitglieder der Inneren Partei glauben an diese kommende Eroberung wie an einen Glaubensartikel.
    Sie wird entweder dadurch erreicht, daß man langsam mehr und immer mehr Gebiete erobert und so eine erdrückende Machtüberlegenheit aufbaut, oder durch die Entdeckung einer neuen Waffe, gegen die es kein Abwehrmittel gibt. Die Suche nach neuen Waffen geht ununterbrochen weiter und ist eine der wenigen übriggebliebenen Tätigkeiten, in denen der Erfinder- oder Forschergeist sich Luft machen kann. In Ozeanien hat heutigen Tags die Wissenschaft im althergebrachten Sinne fast aufgehört zu existieren. In der Neusprache gibt es kein Wort für »Wissenschaft«. Die empirische Denkweise, auf der alle wissenschaftlichen Errungenschaften der Vergangenheit fußten, widerspricht den fundamentalsten Prinzipien von Engsoz. Und sogar ein technologischer Fortschritt wird nur erzielt, wenn seine Erzeugnisse in irgendeiner Weise zur Beschränkung der menschlichen Freiheit benützt werden können. In allen nutzbringenden Künsten steht die Welt entweder still oder macht einen Rückschritt. Die Äcker werden mit Pferdepflug bestellt, während Bücher maschinell geschrieben werden. Aber in lebenswichtigen Dingen – womit in Wirklichkeit Krieg und Polizeibespitzelung gemeint sind – wird die empirische Einstellung auch heute noch ermutigt oder wenigstens geduldet. Die beiden Ziele der Partei sind, die ganze Erdoberfläche zu erobern und ein für allemal die Möglichkeit unabhängigen Denkens auszutilgen. Infolgedessen gibt es zwei große Probleme, deren Lösung die Partei anstrebt. Das eine ist, die Gedanken eines anderen Menschen zu entdecken, ohne daß er sich dagegen wehren kann. Und das andere besteht in der Auffindung eines Verfahrens zur Tötung von mehreren hundert Millionen Menschen in ein paar Sekunden ohne vorhergehende Warnung. Soweit es noch wissenschaftliche Forschung

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