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1984

1984

Titel: 1984 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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gibt, ist dies ihr Hauptgegenstand. Der heutige Wissenschaftler ist entweder eine Mischung von Psychologe und Inquisitor, der mit ungewöhnlicher Sorgfältigkeit die Bedeutung von Gesichtsausdrücken, Gebärden und Stimmschwankungen studiert und die zu wahrheitsgemäßen Aussagen zwingenden Wirkungen von Drogen, Schock-Therapie, Hypnose und körperlicher Folterung erprobt. Oder er ist ein Chemiker, Physiker oder Biologe, der sich nur mit solchen Fragen seines Spezialfaches beschäftigt, die auf die Vernichtung des Lebens Bezug haben. In den ausgedehnten Laboratorien des Friedensministeriums und den großen, in den brasilianischen Wäldern oder der australischen Wüste oder auf den abgelegenen Inseln der Antarktis verborgenen Versuchsstationen sind Gruppen von Fachleuten unermüdlich am Werk. Manche sind lediglich mit der Bewegungs-, Unterbringungs- und Verpflegungskunde zukünftiger Kriege beschäftigt. Andere dagegen erfinden größere und immer größere Raketengeschosse, Explosivstoffe von immer verheerenderer Wirkung und immer undurchdringlicherer Panzerung. Wieder andere suchen nach neuen und tödlicheren Gasen oder auflösbaren Giften, die in solchen Mengen produziert werden können, um damit die Vegetation ganzer Kontinente zu vernichten, oder nach Krankheitsbakterien, gegen die es kein immun machendes Gegenmittel gibt. Andere bemühen sich, ein Fahrzeug zu konstruieren, das sich unter der Erde wie ein Unterseeboot unter Wasser fortbewegt, oder ein Flugzeug, das von seinem Stützpunkt so unabhängig ist wie ein Segelschiff. Andere erforschen sogar noch ferner liegende Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Sonnenstrahlen in Tausende von Kilometern im Raum entfernt aufgehängten Linsen zu sammeln, oder durch Anzapfen des glühenden Erdinneren künstliche Erdbeben und Flutwellen hervorzurufen.
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    George Orwell – 1984
    Aber keines dieser Projekte kommt jemals der Verwirklichung nahe, und keiner der drei Superstaaten erlangt jemals ein bedeutendes Übergewicht über die anderen. Noch bemerkenswerter ist, daß alle drei Mächte in der Atombombe bereits eine weit gewaltigere Waffe besitzen, als einer ihrer derzeitigen Versuche jemals hervorzubringen verspricht. Wenn auch die Partei gemäß ihrer Gewohnheit die Erfindung für sich in Anspruch nimmt, so traten die Atombomben bereits in den Jahren nach 1940 erstmalig in Erscheinung und wurden zum erstenmal in großem Umfang etwa zehn Jahre später angewendet. Zu der Zeit wurden einige hundert Bomben auf Industriezentren, hauptsächlich im europäischen Rußland, Westeuropa und Nordamerika abgeworfen. Die dadurch erzielte Wirkung war, daß die herrschenden Gruppen aller Länder zu der Überzeugung gelangten, ein paar Atombomben mehr würden das Ende jeder geordneten Gesellschaft und damit ihrer eigenen Macht bedeuten. Danach wurden, obwohl nie ein formelles Abkommen getroffen oder angedeutet wurde, keine Atombomben mehr abgeworfen. Alle drei Mächte fahren lediglich fort, Atombomben herzustellen und sie für die entscheidende Gelegenheit aufzuspeichern, von der sie alle glauben, daß sie früher oder später kommen wird. Und inzwischen ist die Kriegskunst dreißig oder vierzig Jahre so gut wie zum Stillstand gekommen. Helikopter werden mehr benützt als früher, Bombenflugzeuge wurden größtenteils durch selbstgesteuerte Geschosse ersetzt, und das leicht verwundbare bewegliche Schlachtschiff ist der nahezu unversenkbaren Schwimmenden Festung gewichen; aber sonst hat sich wenig weiterentwickelt. Der Tank, das Unterseeboot, das Torpedo, das Maschinengewehr, sogar das gewöhnliche Gewehr und die Handgranate sind noch immer im Gebrauch.
    Und ungeachtet der endlosen in der Presse und durch den Televisor gemeldeten Gemetzel fanden die verzweifelten Schlachten früherer Kriege, in denen oft sogar in ein paar Wochen Hunderttausende oder sogar Millionen von Menschen getötet wurden, nie eine Wiederholung.
    Keiner der drei Superstaaten unternimmt je eine Kriegshandlung, die das Gefahrenmoment einer ernsten Niederlage in sich schließt. Wenn eine große Kriegshandlung unternommen wird, so handelt es sich gewöhnlich um einen Überraschungsangriff gegen einen Verbündeten. Die Strategie, die alle drei Mächte verfolgen oder zu verfolgen glauben, ist die gleiche. Sie zielt darauf ab, sich durch ein Zusammenwirken von Kampfhandlungen, Verhandeln und zeitlich wohlberechnetem Verrat einen Ring von Stützpunkten zu schaffen, der den einen oder anderen der rivalisierenden Staaten

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