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1984

1984

Titel: 1984 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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nicht wirklich nötig. Sie tragen nichts zum Weltgedeihen bei, denn ihre gesamte Produktion dient Kriegszwecken, und das Ziel, warum ein Krieg vom Zaun gebrochen wird, besteht unabänderlich darin, besser für den nächsten Krieg gerüstet zu sein. Durch ihre Arbeitsleistung ermöglichen die Sklavenbevölkerungen eine Intensivierung der dauernden Kriegsführung. Aber wären sie nicht vorhanden, so wäre die Struktur der Weltgesellschaftsordnung und das Verfahren, durch das sie sich erhält, nicht wesentlich anders.
    Das Hauptziel der modernen Kriegführung (in Übereinstimmung mit den Prinzipien des Zwiedenkens wird dieses Ziel von den leitenden Köpfen der Inneren Partei gleichzeitig anerkannt und nicht anerkannt) besteht in dem Verbrauch der maschinellen Erzeugnisse, ohne den allgemeinen Lebensstandard zu heben.
    Seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts war in der industriellen Gesellschaftsordnung das Problem immer latent, was man mit der Überproduktion von Verbrauchsgütern anfangen sollte. Gegenwärtig, da wenige Menschen auch nur genug zu essen haben, ist dieses Problem offensichtlich nicht dringlich und wäre es vielleicht auch ohne das Einschalten von künstlichen Vernichtungsprozessen nicht geworden. Die Welt von heute ist ein armseliger, hungerleidender, jämmerlicher Aufenthaltsort, verglichen mit der Welt von vor 1914, und das gilt noch in verstärktem Maße, wenn man sie mit der imaginären Zukunft vergleicht, die die Menschen jener Zeit erwarteten. Anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts gehörte die Vision einer zukünftigen unglaublich reichen, über Muße verfügenden, geordneten und tüchtigen Gesellschaftsordnung
    – einer schimmernden antiseptischen Welt aus Glas, Stahl und schneeweißem Beton – zum Vorstellungsbild nahezu jedes gebildeten Menschen. Wissenschaft und Technik entwickelten sich mit wunderbarer Geschwindigkeit, und die Annahme schien natürlich, daß sie sich immer weiterentwickeln würden. Das war jedoch nicht der Fall, teils infolge der durch eine lange Reihe von Kriegen und Revolutionen verursachten Verarmung, teils weil wissenschaftlicher und technischer Fortschritt von einem durch Erfahrung gestützten Denken abhingen, das in einer diktatorisch kontrollierten Gesellschaftsordnung keinen Bestand haben konnte. Im ganzen genommen ist die Welt von heute primitiver, als sie es vor fünfzig Jahren war. Gewisse rückständige Gebiete machten zwar Fortschritte, und verschiedene, immer irgendwie mit Kriegführung oder Polizeibespitzelung zusammenhängende Verfahren entwickelten sich weiter, aber Experiment und Erfindung haben so gut wie aufgehört, und die Verheerungen des Atomkrieges der Jahre nach neunzehnhundertfünfzig wurden nie wieder ganz wettgemacht. Nichtsdestoweniger sind die der Maschine innewohnenden Gefahren noch immer vorhanden. Von dem Augenblick an, als die Maschine zum erstenmal in Erscheinung trat, war es für alle denkenden Menschen klar, daß die Notwendigkeit der Mühsal, und damit zum großen Teil auch die Ungleichheit der Menschen, erledigt waren. Wenn die Maschine wohlüberlegt mit diesem Ziel vor Augen in Dienst gestellt wurde, dann konnten Hunger, Überstunden, Schmutz. Elend, Unbildung und Krankheit in ein paar Generationen überwunden werden. Und tatsächlich hob die Maschine, ohne für einen solchen Zweck eingesetzt zu werden, sondern durch eine Art automatischen Prozeß – indem sie nämlich einen Überfluß produzierte, den zu verteilen sich manchmal nicht umgehen ließ – während eines Zeitraums von ungefähr fünfzig Jahren am Ende des neunzehnten und 85
    George Orwell – 1984
    am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts den Lebensstandard des Durchschnittsmenschen sehr beträchtlich.
    Aber es war auch klar, daß ein allgemein wachsender Wohlstand das Bestehen einer hierarchisch geordneten Gesellschaft bedrohte, ja tatsächlich in gewisser Weise ihre Auflösung bedeutete. In einer Welt, in der jedermann nur wenige Stunden arbeiten mußte, in der jeder genug zu essen hatte, in einem Haus mit Badezimmer und Kühlschrank wohnte, ein Auto oder sogar ein Flugzeug besaß, in einer solchen Welt wäre die augenfälligste und vielleicht wichtigste Form der Ungleichheit bereits verschwunden. Wurde dieser Wohlstand erst einmal Allgemeingut, so bedeutete er keine Vorzugsstellung mehr. Es war zweifellos möglich, sich eine Gesellschaftsordnung vorzustellen, in der Wohlstand im Sinne von persönlichem Besitz und Luxusartikeln gleichmäßig verteilt war, während die Macht

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