1986 Das Gift (SM)
schwedische Indianerin.
Sie lachte und fragte: »Spendierst du mir einen Drink?«
»Was möchtest du denn am zweitliebsten?«
»Wie bitte?«
»Na ja, Champagner ist mir zu teuer. Was also dann?«
»Auch eine Cuba libre .«
»Gut.«
Sie verschwand, und er sah wieder aufs Meer. Na so was! Da liegt ja ein Schiff an genau derselben Stelle, an der wir mit der FLECHA lagen!
Aber die Entdeckung beunruhigte ihn nicht. Im Gegenteil, sie amüsierte ihn. Ist ja klar, dachte er, die Bucht gehört jetzt wieder allen, und vielleicht will der Skipper nachempfinden, was wir empfunden haben. Das wird ihm natürlich nur zum Teil gelingen, denn ihm fehlt das Wichtigste, nämlich die Erwartung, daß in Kürze das ganz große Geld rüberkommt.
Er wandte sich wieder ab von der Bucht, sah, wie Raquel an der Bar ihr Glas entgegennahm und dann auf ihn zeigte. Der Keeper kam gleich mit, kassierte, kehrte an seinen Platz zurück.
»Und du? Wie teuer bist du?«
»Fünfzig Dollar.«
»So viel?«
Und wieder, wie bei dem Taxifahrer, verblüffte ihn die lapidare Erklärung: »Es el tarifa del catástrofe.« Das ist der Katastrophentarif. »Immerhin sind wir hiergeblieben, auch wenn wir Angst hatten.«
Er akzeptierte. Ich hab’ die Katastrophe ja mitverursacht, dachte er, und außerdem hat sie mir so viel Geld eingebracht, daß ich die teuerste Hure der Welt kaufen könnte.
Sie gingen nach oben. Auch das Zimmer bot den Ausblick über die Bucht, und da das breite Bett unter dem Fenster stand, verhieß ihm die Begegnung eine besondere Pikanterie: die Möglichkeit, sich mit dem exotischen Mädchen zu vergnügen und zwischendurch oder gar gleichzeitig einen Blick auf eben jenen Ort zu werfen, der für ihn und seine Freunde der Platz ihres Sieges gewesen war.
Beide waren im Handumdrehen aus ihren Kleidern geschlüpft, standen sich gegenüber. Er mußte lächeln, als er nun sah, daß Raquel keine echte Blondine war.
Er nahm sie an die Hand, zog sie mit sich durchs Zimmer. Durch eine offenstehende Tür hatte er weiße Kacheln gesehen.
»Wohin?«
»Ins Bad. Wir wollen erst zusammen duschen.«
»Ich bin sauber.«
»Ich auch. Aber ich liebe es, mit einem Mädchen zu duschen. Ich mag es, wenn wir ganz eng beieinanderstehen unter demselben …«, ihm fiel das Wort für Strahl nicht ein, und so sagte er: »… cascada de agua .« Wasserfall.
Sie lachte laut auf, griff, als sie das Bad betreten hatten, nach der Badekappe, die an einem Haken hing, zog sie sich über das Haar. Dann gingen sie unter die Dusche.
Sie nahm ein Stück Seife aus der Schale, hielt es ihm hin. Aber er sagte »no« , trat noch einmal heraus aus der Kabine, holte die Flasche Shampoo, die er auf dem Bord hatte stehen sehen, goß sich ein bißchen von der gelben Flüssigkeit in die Hand und wusch Raquel von oben bis unten.
Sie kehrten ins Zimmer zurück. Raquel trocknete sich ab, warf ihm dann das Handtuch zu, aber er wich aus, und es fiel zu Boden. Er öffnete seinen Strandbeutel, holte ein weißes Badetuch heraus, trocknete sich nur flüchtig damit ab, und dann legte er es auf dem über das Bett gespannten Laken aus.
Und wieder erntete er Raquels Lachen, aber es klang nicht abfällig.
Sie legten sich hin, und nun begann, wonach er sich seit Tagen mit peinigender Phantasie gesehnt hatte.
»Te gustó?« Mochtest du es?
»Du warst deine fünfzig Dollar wert.«
»Kommst du wieder?«
»Bestimmt.«
Sie knieten nebeneinander auf dem Bett, waren noch nackt,
hatten die Ellenbogen auf die Fensterbank gelegt, rauchten und sahen aufs Wasser.
»Bist du Amerikaner?«
»Nein, Kanadier.«
»Neuerdings kommen viele Kanadier zu uns nach Acapulco.«
»Ja, wegen der Wärme. Ich fliege jedes Jahr hierher.«
»Was arbeitest du?«
»Holz. Wir haben viele Wälder.«
»Aber deine Hände sehen nicht so aus.«
»Ich leite ein kleines Sägewerk, sitze also immer nur im Büro.«
»Wie lange bleibst du noch in Acapulco?«
»Ungefähr zwei Wochen. Dann sind meine Ferien zu Ende.«
»Warst du schon hier, als es losging?« Sie zeigte hinunter aufs Wasser.
»Nein. Ich bin erst heute morgen angekommen. Da war schon alles vorbei. Es muß schlimm gewesen sein. Warum bist du hiergeblieben?«
»Erst hab’ ich’s nicht glauben wollen, aber nachher, als unsere Leute das eine Faß überprüft hatten und durchs Radio kam, daß alles stimmte, da kriegte ich es doch mit der Angst. Aber meine Eltern wohnen hier in Acapulco, und unsere nächsten Verwandten leben in Chiapas. Das ist weit weg. Wohin hätten wir also gehen sollen? Mein
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