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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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verrückt?«
»War es ein Hotelhandtuch?«
»Glaub’ ich nicht. Es war ein großes weißes Badetuch. Dick und flauschig. Ich hatte gehofft, er würde es dalassen, aber er nahm es wieder mit.«
»Und warum meldest du dich erst jetzt? Oder vielmehr: Wieso hast du das Bild in der Zeitung erst heute morgen gesehen?«
»Als es hier losging, bin ich geflüchtet. Gleich am ersten Tag. Zu meinen Eltern nach Valle del Rio. Da hab’ ich keine Zeitung gelesen.«
»Das Bild war auch im Fernsehen!«
»Meine Eltern haben kein Fernsehen.«
»Wenn ihr keine Zeitung habt und kein Fernsehen, woher wußtest du dann, daß die Sache hier zu Ende ist? Schließlich bist du zurückgekommen.«
»Wir haben ein Radio. Und im Dorf erzählte man ja auch, daß sie wieder weg wären. Ich blieb noch ein paar Tage bei meinen Eltern und bin gestern abend zurückgekommen. Aber in der Casa LA MORENA haben sie noch nicht wieder aufgemacht, genau wie in anderen Häusern, in denen ich es versuchte. Und dann hab’ ich es auch noch in der Casa MARIELA versucht, und da klappte es. Na, und heute morgen hab’ ich da die alte Zeitung gesehen. Héctor, der mozo , hatte eine Ananas gekauft für die Bar, und die war in ein Stück Zeitung gewickelt.
Er legte das Paket auf den Tresen, als wir da gerade frühstückten. Und als unsere Chefin die Ananas in den Korb gelegt hatte, sah ich das Bild, und dann hab’ ich den anderen von dem Mann erzählt und von seinem Handtuchtick.«
»Wem?«
»Den anderen Mädchen. Raquel war auch dabei.« Sie zeigte auf die Blonde. »Sie kann jetzt weitererzählen.«
»Ja«, begann Raquel, »der Mann war auch bei mir. Vor vier Tagen. Er sah ganz anders aus als in der Zeitung, aber Lupita und ich sind sicher, daß es derselbe ist. Bei mir war es keine Aktentasche, sondern ein Strandbeutel, und er hat keine Seife mitgebracht, aber meine wollte er auch nicht. Er holte sich das Shampoo, das auf dem Bord stand. Ach so, das hab’ ich ganz vergessen: Auch bei mir wollte er also erst mal duschen. Und dann kam die Sache mit dem Shampoo, und nach dem Duschen trocknete er sich mit seinem eigenen Handtuch ab, genau wie bei Lupita. Und dann breitete er es auf dem Bett aus. Auch für mich war es das erste Mal, daß ein Kunde sein eigenes Handtuch mitbrachte. Ja, und als Lupita ihre Geschichte erzählt hatte, kam ich natürlich mit meiner hinterher. Und dann dachten wir: Das alles paßt doch sehr gut zusammen. Nach der Sache mit dem Gift mußten die Männer ihr Aussehen verändern; sonst würde man sie ja wiedererkennen. Aus dem Fernsehen weiß ich, daß sie das Haus gemietet haben und das Boot und mehrere Hotelzimmer für die Lautsprecher. Sie sind also wahrscheinlich schon lange vorher hier gewesen, und einer von ihnen …«, sie zeigte auf die Zeitung, die Lupita in der Hand hielt, »dieser, machte den Fehler, zweimal zu den chicas zu gehen, erst mit dem einen und dann mit dem anderen Gesicht, wobei wir natürlich nicht wissen, welches sein richtiges ist.« 
    »Wollt ihr einen Kaffee?« fragte Jerónimo.
»Ja«, antworteten beide.
Die Sekretärin bekam den Auftrag, den Kaffee zu holen.
Paul Wieland sah ihr an, daß sie ihn ungern übernahm. Sie hat wohl Schwierigkeiten, dachte er, weil es Huren sind.
    Raquel und Lupita hielten ihre Pappbecher in der Hand. Jerónimo fragte weiter, fragte mit Ausdauer und Spitzfindigkeit nach übereinstimmenden und voneinander abweichenden Merkmalen des gemeinsamen Kunden. Aber viel Neues kam nicht dabei heraus, nur, daß der Mann sehr schlank war, an Armen, Beinen und Brust nur wenige oder wegen des hellen Farbtons kaum erkennbare Haare hatte, daß er ein fehlerhaftes Spanisch sprach, sich als kanadischer Holzhändler ausgegeben hatte, kein Brillenträger war, bei seinem ersten Besuch wahrscheinlich weiße Shorts und ein weißes Polohemd getragen hatte und beim zweiten einen hellgrauen Anzug. An seinen Namen erinnerten sie sich nicht, doch dazu sagte Jerónimo: »Der ist in diesem Fall das Unwichtigste.« Dann fragte er: »Hat er irgend etwas im Zimmer angefaßt? Am besten wäre natürlich ein Gegenstand, den nach ihm niemand berührt hat. Die Flasche mit dem Shampoo zum Beispiel. Es wäre ein Riesenglücksfall, wenn sie danach im Abfalleimer gelandet ist und der noch nicht ausgeleert wurde. Und außerdem sollte sie möglichst auch trocken geblieben sein.«
    Doch Raquel schüttelte den Kopf. »Mindestens drei von den Mädchen haben danach ihr Haar gewaschen und die Flasche

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