1986 Das Gift (SM)
gut.«
Jerónimo und Paul Wieland setzten sich. Ein Serviermädchen brachte ihnen Kaffee. Noch einmal sah Jerónimo auf den Zettel. »Dabei könnte«, sagte er, »in der Tat etwas Interessantes herauskommen.«
»Ja«, antwortete Paul Wieland, »der dritte Mann.«
»Und wer war der zweite?«
»Na, Leo Schweikert.«
»Aber der hat sich zur gleichen Zeit im HYATT CONTINENTAL niedergelassen, wie wir ganz sicher wissen.«
»Er kann ja gleich darauf zu Wobeser gefahren sein und der dritte Mann eben auch. Und dann haben sie bei Langusten und Bier ihren Erfolg gefeiert.«
»Wobeser kann auch zwei andere Gäste gehabt haben, Nutten vielleicht oder Leute vom Landkommando. Vielleicht gehörte er sogar selbst zu denen, die an Land operiert haben. Allerdings, der Zeitpunkt seiner Ankunft im Hotel spricht eher dafür, daß er auf der FLECHA gewesen ist.«
Der Kellner Alejandro kam, ein gewandter junger Mann, der einem hohen Polizeibeamten gegenüber offenbar keinerlei Hemmungen hatte, denn er erklärte sofort: »Ich dachte mir, lieber ungewaschen und schnell als piekfein und spät. Entschuldigen Sie also bitte mein Aussehen!«
»Das war richtig!« antwortete Jerónimo. »Setzen Sie sich bitte!«
Aber Alejandro blieb stehen. Bei aller Ungezwungenheit seines Auftretens befolgte er auch in dieser besonderen Situation die Regel, die es ihm verbot, sich zu den Gästen an den Tisch zu setzen.
Jerónimo hielt ihm den Zettel hin. »Sie haben diese Bestellung aufgenommen und auch ausgeführt. Es war die Nacht, in der die Erpresser die Bucht verließen. Sie haben dem Gast drei Portionen langostinos und drei Flaschen Bier aufs Zimmer gebracht. Wer war bei ihm?«
»Niemand.«
»Das können Sie so spontan sagen, obwohl es fast eine Woche her ist?«
»Es war ja eine besondere Nacht, eben weil das Schiff endlich wegfuhr. Und auch die Bestellung war ungewöhnlich. So spät bringe ich selten Mahlzeiten aufs Zimmer. Und das Trinkgeld war ebenfalls ungewöhnlich. So was bleibt im Gedächtnis.«
»Er war wirklich ganz allein?«
»Ja. Wir haben uns noch ein bißchen unterhalten. Er fing an. Er erzählte mir, er hätte eine zwanzigstündige Reise hinter sich und einen Bärenhunger.«
»Vielleicht saßen seine Gäste im Bad oder auf dem Balkon?«
»Auf dem Balkon schon mal nicht, denn da habe ich den Tisch gedeckt. Er gab mir die überzähligen Teller und Bestecke und Gläser übrigens gleich wieder mit.«
Jerónimo stand auf, trat vor das an der Wand hängende Plakat, zeigte auf Richard Wobeser. »War es dieser Mann?« fragte er.
Alejandro, der das Plakat noch nicht gesehen hatte, kam einen Schritt näher, starrte auf das Foto, trat noch dichter heran, und dann sagte er: » Por dios , das ist er! Hundertprozentig!«
»Danke, das genügt. Sie können wieder gehen.«
Alejandro verschwand, und Jerónimo setzte sich, sah Paul Wieland an. »Kein dritter Mann also«, sagte er, »nicht einmal ein zweiter. Trotzdem, Pablo, weiter so! Die Überprüfung der Bestellzettel war absolut richtig. Das sind genau die Schritte, mit denen man vorankommt; wenn nicht gleich mit dem ersten, dann mit dem zweiten oder dritten.«
Sie brachen auf. Auch im LAS HAMACAS wurden einige Polizisten zurückgelassen für den Fall, daß der Gesuchte wider Erwarten dort auftauchte.
Paul Wieland brachte Jerónimo zur Dienststelle, wollte sich an der Tür der Kommandantur verabschieden. Aber es kam zu einer Verzögerung. Zwei junge Mädchen redeten auf die beiden Posten, die dort Wache hielten, ein. Die Besucherinnen, auffällig angezogen und stark geschminkt, machten nicht gerade einen seriösen Eindruck, jedenfalls nicht auf den Chef, und der fragte denn auch sofort: »Was ist denn hier los? Seit wann gehen die Nutten zur Polizei? Sonst zischt ihr doch ab, sobald ihr auch nur einen von uns seht!«
»Sie behaupten«, sagte einer der Posten, »sie hätten was Wichtiges zu melden, in der Giftaffäre.«
»Aha! Es sind schon über hundert Personen, die sich einbilden, sie hätten die Belohnung verdient.«
Die eine der beiden, eine zierliche Schwarzhaarige, hielt eine Zeitung hoch, tippte mit dem rechten Zeigefinger auf die Vorderseite. »Dieser Mann«, sagte sie, »war bei mir. Vor ungefähr vier Wochen.«
Jerónimo warf einen Blick auf die Zeitung, entdeckte die Phantomzeichnung des Mannes, der das Haus an der Bucht und die Yacht gemietet hatte, und das feuerte ihn auch nicht gerade an. »Mädchen, du kommst mit dem Schnee von gestern!«
»Nein«, sagte darauf die andere, die blond war und
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