1986 Das Gift (SM)
nach Schweikert und Wobeser. Wir bereiten eine Großaktion vor, werden alle Vermieter von Häusern und Wohnungen befragen, denn für die beiden kommen Hotels natürlich nicht mehr in Frage. Ich tippe darauf, daß der dritte Mann den Mietvertrag schließt und dann die Flüchtlinge versteckt. Das wäre eine der Möglichkeiten, die sie jetzt noch haben. Nummer zwei wäre die Flucht über Land und Nummer drei die übers Wasser.«
»Ja, andere haben sie nicht.«
»Doch, es gibt noch die Nummer vier: die Flucht unter Wasser. Wir wissen ja, daß sie sich mit Scootern auskennen. Also könnten sie versuchen, mit diesen Dingern rauszukommen. Ich hoffe, sie entscheiden sich für die Nummer zwei, also für die Flucht über Land, denn dann erwischen wir sie todsicher. Im Laufe des Tages kommen neue Armee-Einheiten, und sobald die aufgestellt sind, ist der Ring nicht mehr zu knacken. Dann haben wir alle zehn bis zwanzig Meter einen Mann postiert. Die gesamte Linie ist beleuchtet, und wir haben fünfundzwanzig Suchhunde. Nummer eins hätte ich nicht so gern. Wir können unmöglich alle Häuser und Wohnungen durchkämmen, zumal wir die meisten Leute für den Ring brauchen.«
»Und Nummer vier wäre auch nicht gut«, sagte Paul Wieland. »Das Meer läßt sich nun mal nicht abschotten bis auf den Grund.«
12.
»Macht’s gut, ihr beiden!«
Diese Worte hatte Felix den Freunden mit auf den Weg gegeben, und es hatte sich angehört, als ginge es um etwas Leichtes, Heiteres, um ein sportliches Freizeitvergnügen. Gleich darauf waren Leo und Richard mit ihrem Zweimannscooter ins Meer getaucht. Er hatte dann noch eine Weile aufs Wasser gesehen, war schließlich den Hang hinaufgeklettert, in den CHRYSLER gestiegen und losgefahren. Die Wachposten am nordwestlichen Stadtausgang hatten ihn gestoppt, den auf dem Rücksitz liegenden Koffer durchsucht, die Papiere überprüft und ihn gefragt, wohin er wolle.
»Ich besuche meine Mutter in Zihuatanejo«, hatte er geantwortet, »sie macht da Ferien.«
Nun wartete er an einem einsamen Küstenabschnitt zwischen dem Stadtrand und der Lagune Coyuca . Er hatte das Auto auf dem Parkplatz eines Lokals abgestellt, wo es nicht auffiel, weil schon zwei andere Wagen dort standen. Danach hatte er in der kleinen Schankstube eine Coca-Cola getrunken und dem Wirt erzählt, er wolle ein paar Nachtaufnahmen von der Küste machen und später wiederkommen. Er war ans Ufer gegangen und hatte sich in den Sand gesetzt, ungefähr in der Mitte des für die Landung vorgesehenen fünfhundert Meter breiten Küstenstreifens. Hier brauchte er den Ankommenden kein Lichtzeichen mit der Taschenlampe zu geben; es hätte ein zusätzliches Risiko bedeutet. Die beiden würden sich, wie abgesprochen, an den Lichtern des Lokals orientieren.
Es war ein bizarres Stück Küste aus Strand und Fels, und es war laut. In unregelmäßigen Abständen donnerten die Wellen heran. Der deutlich erkennbare weiße Gischtkamm schob sich auf das Ufer zu, riß dann auseinander, und, je nachdem, an welcher Stelle die Wassermengen auftrafen, rollten sie entweder friedlich aus auf der sanften Böschung des Strandes oder schlugen mit Wucht gegen mächtiges Gestein.
Wie gut, dachte er, daß sie den Scooter haben! Damit sind sie wendig wie die Fische und können, sobald sie ein Boot hören, ausweichen, nach links, nach rechts, vor allem aber nach unten. Ich bin sicher, sie werden es schaffen! An Land ist zwar jede Menge Militär, aber auf dem Wasser hab’ ich nur zwei Lichter gesehen. Ja, sie werden durchkommen! In zehn Minuten können sie hier sein. Wir schleppen den Scooter und die anderen Sachen zum Auto, werfen sie in den Kofferraum. Dann gehe ich wieder in das Lokal, esse einen Fisch und trinke ein Bier, und während ich die Wirtsleute, das Serviermädchen und die zwei, drei Gäste im Auge behalte, bedienen Leo und Richard sich aus meinem Koffer und ziehen sich um. Eine Weile später starten wir, fahren über Coyuca nach Atoyac, dann landeinwärts, hinein ins Gebirge. Ich hoffe, die Straßen zweiter Ordnung sind befahrbar. Sie müssen es eigentlich sein, denn die Regenzeit ist noch nicht voll da. Bei Milpillas geht es auf die carretera 95 und dann weiter über Iguala in Richtung México City. Natürlich, eine Spazierfahrt wird das Ganze nicht, denn die beiden müssen immer auf dem Sprung sein. Sobald auch nur das geringste Anzeichen für einen Stopp zu erkennen ist, müssen sie raus, müssen querfeldein und dann parallel zur Straße laufen und später
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