1986 Das Gift (SM)
Uferstück, wo Felsen und flacher Sand sich abwechselten.
Aber es dauerte nicht lange, da stöhnte Leo auf: »Ich kann nicht mehr!« Und dann sagte er noch einmal: »Es war mörderisch, das Ganze!«
Sie brachen also zunächst die Suche ab, holten die Sachen und gingen zum Parkplatz. Weit und breit war niemand zu sehen. Leo schlüpfte in den Wagen. Felix verstaute den Scooter und die Preßluftflasche im Kofferraum und ging hinüber zum Lokal. Er kaufte zwei Dosen Coca-Cola und verabschiedete sich mit der Frage: »Darf ich den Wagen noch eine halbe Stunde bei Ihnen stehenlassen?«
»Natürlich, señor !«
Er fand Leo schon umgezogen vor. »Hier hast du was zu trinken«, sagte er. »Du ruhst dich noch eine Weile aus, und ich suche weiter.«
»Nein, ich komme mit.«
»Wird es denn gehen?«
»Ja.«
Sie kehrten zurück an den Strand, suchten zuerst wieder das rechts liegende Uferstück ab, weil Leo den Freund auf dieser Seite verloren hatte. Aber auch jetzt fanden sie ihn nicht, kehrten also um und nahmen sich noch einmal den felsenreicheren und darum beschwerlicheren linken Teil vor.
Sie gingen so weit, daß die Lichter der Polizeiboote schon deutlich zu erkennen waren. Schließlich sagte Felix: »Wir dürfen uns nicht näher an die Stadt heranwagen. Wenn sie uns mit ihren Nachtgläsern entdecken, ist es aus.«
Sie gingen zurück, kletterten über Felsen, suchten das Meer ab, machten sich über alle größeren Gegenstände her, die im Sand lagen, Bretter, Balken, Teile von Fischernetzen, Kisten, Anhäufungen von Seetang, die aus der Ferne noch am ehesten einem zusammengekrümmten menschlichen Körper ähnelten.
»Was«, fragte Felix, »wenn er weit rausgetrieben ist?« »Dann wird er ertrinken. Selbst mit dem Scooter war es verdammt schwer. Müßte ich noch einmal aus der Stadt verschwinden, dann würde ich den Landweg nehmen, auch wenn sie tausend abgerichtete Hunde in ihrem verdammten Sperrgürtel hätten.«
Sie näherten sich dem Strandabschnitt, der vor dem Lokal lag, hatten noch eine letzte Felsgruppe zu überwinden, da sah Felix unterhalb der Steine einen Schimmer. Nur für einen Moment war ein Stück Metall im Mondlicht aufgeblinkt. Er trat hinzu, bückte sich, ließ seine Taschenlampe aufleuchten, schirmte ihr Licht mit beiden Händen ab, sah voller Entsetzen auf den Gegenstand, den er vor sich hatte: Es war Richards Preßluftflasche!
»Verdammt!«
Leo kam heran. »Was ist?«
»Seine Flasche.«
»Mein Gott!«
»Aber die Riemen sind nicht zerrissen.« Felix ließ noch einmal den Lichtstrahl über das Gerät gleiten. »Vielleicht hat er das Ding hier abgelegt und sucht uns. Oder kann man eine Flasche auch verlieren, ohne daß die Riemen gerissen sind?«
»Und ob!« Leo zeigte auf die Brandungswelle. »Wenn du angezogen da hineingerätst, kann es passieren, daß du nackt wieder rauskommst.«
Sie suchten weiter, kletterten über das Gestein, das sich an dieser Stelle als ein etwa zwanzig Meter langes Bollwerk am Wasser entlangzog.
Und dann war es Leo, der etwas fand und den Freund herbeirief.
Felix kam, leuchtete den Platz aus.
»Nein!«
Richard lag bäuchlings auf einem der vielen Steinbuckel, die Arme weit auseinandergestreckt, als umklammerte er den endlich erreichten festen Grund. Aber sie wußten: Der Eindruck täuschte! Im Licht der Taschenlampe hatten sie längst das viele Blut an seinem Kopf gesehen.
Felix gab Leo die Lampe in die Hand, bückte sich und drehte den Toten um. Sie schreckten zurück, so grauenhaft hatte der Aufschlag auf den Felsen Richards Gesicht zugerichtet.
»Und er wollte nicht durchs Wasser«, sagte Leo, »wollte den anderen Weg!« Er hatte seine Worte herausschreien müssen, weil eine neue Woge herandonnerte. Die beiden hockten sich hin, zogen die Köpfe ein. Die Gischt sprühte hoch auf.
»Wir müssen hier weg!« rief Felix.
»Ja, aber ihn nehmen wir mit und seine Flasche auch. Wir dürfen überhaupt nichts zurücklassen, denn wenn hier was gefunden wird, wissen die schon mal, auch welcher Seite der Stadt wir sind.«
»Klar.«
Sie hoben Richard auf, brachten ihn dorthin, wo sie die Preßluftflasche gefunden hatten, legten ihn in den Sand. Beide ruhten sich eine Weile aus, und dann nahm Felix den Toten auf die Schulter, während Leo die Flasche trug.
Bis zum Parkplatz, auf dem jetzt nur noch der CHRYSLER stand, brauchten sie volle zehn Minuten. Felix legte seine Last ab und prüfte, ob sie ihren Weg fortsetzen konnten. Er trat sogar an die Fenster des Lokals. Alles war dunkel und
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