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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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die Bereitstellung. Vielleicht heißt es um 22.15 Uhr: ›Ihr kriegt das Faß nun doch nicht!‹ Warten wir es also ab!«
    Und das taten sie immer noch, warteten ab.
    Im Zimmer 1609 waren Mike Brewster und Gordon Newman, zwei Journalisten aus Los Angeles, auf eine Idee verfallen, wie sie der Konkurrenz um etliche Nasenlängen voraus sein könnten.
    Um 21.30 Uhr bepackten sie sich mit ihrer Ausrüstung und etwas Proviant, teilten ihren Kollegen mit, sie wollten noch Fotos vom großen Treck und ein paar Interviews mit Flüchtlingen machen, gingen dann aber nicht zur Costera , sondern an den Strand. Dort schoben sie eins der im Sand liegenden Tretboote ins Wasser und machten sich auf den Weg. Sie wußten, von der FLECHA aus konnten sie nicht bemerkt werden, weil sie sich im Sichtschutz des Farallón del Obispo bewegten. Um die teils warnenden, teils empörten Zurufe von den Balkons her kümmerten sie sich nicht. Unbeirrt fuhren sie weiter. Um zehn Minuten vor zehn machten sie das Boot am Felsen fest, und dann erstiegen sie die steil aufragende Insel an der dem Land zugekehrten Seite. Daß ein vierköpfiges Militärkommando am Ufer erschienen war, blieb ihnen verborgen.
    Im oberen Teil des Felsens fanden sie einen Platz, an dem sie sich hinter einem Vorsprung verstecken und trotzdem ihre Kamera so in Position bringen konnten, daß sie ohne Behinderung seewärts gerichtet war. Ihr Objektiv lugte aufs Meer, hatte die hellerleuchtete Yacht im Fadenkreuz.
    »Der vorgeschobene Posten macht sich bestimmt bezahlt«, sagte Mike Brewster. »Wir werden schärfere Aufnahmen haben als die anderen, jedenfalls ab morgen früh, wenn die Sonne da ist.«
    »Und vielleicht«, meinte Gordon Newman, »haben wir sogar ein paar Köpfe drauf. Ich bin froh, daß wir diese Chance gewittert haben! Hoffentlich bleiben wir allein!«
    »Ich glaube nicht, daß wir Gesellschaft kriegen. Gehört ja auch ein bißchen Mut dazu, sich so weit vorzuwagen, wenn gegenüber ein Haufen wildentschlossener Erpresser lauert. Was meinst du, wie geht die Sache aus?«
    »Die Mexikaner werden zahlen, und dann setzt die Jagd ein. Hoffentlich haben die Gangster Sinn für fair play ! Stell dir vor, nach der Geldübergabe verzichten sie zwar auf die Sprengung der Dioxinfässer, teilen den Leuten aber nicht mit, wo sie versteckt sind! Dann wäre zwar erst mal der größte Druck weg, aber für eine Entwarnung würde es nicht reichen.«
    »Das wär’ ein dickes Ei! Aber ich glaub’s nicht. Leute, die so was durchziehen, haben Disziplin. Und dazu noch ihre Ganoven-Ehre. Die werden schon sagen, wo das Zeug liegt. Nur, wie wollen sie wegkommen? Sie können rausfahren aufs offene Meer, aber irgendwann ist es aus mit der Reichweite ihrer Sender, und dann genügt ein Patrouillenboot oder ein Helikopter, und sie sind geliefert.«
    »Das läuft anders«, sagte Gordon Newman. »Wie gewieft sie sind, haben sie bewiesen. Von einem winzigen Boot aus schaffen sie es, daß eine Millionenstadt sich auf die Socken macht. Das Ganze ist strategisch durchdacht, und also haben sie auch was in petto für hinterher. Ich tippe, nach der Geldübergabe bedingen sie sich eine vierundzwanzigstündige oder noch längere Stillhaltefrist aus und brausen ab. Das können sie, denn ihre Leute an Land haben immer noch die Hand am Hebel. Glaub mir, die kommen weg! So, wir machen jetzt ein paar Nachtaufnahmen, und dann hauen wir uns hin, das heißt, dann wechseln wir uns ab. Sobald die Sonne da ist, schießen wir die Fotos unseres Lebens!«
Am Strand sprang ein Motor an. Die Köpfe der beiden fuhren herum.
    »Verdammt!« zischte Brewster. »Ein Schlauchboot! Die wollen uns zurückholen.«
Bevor Newman antworten konnte, schreckte etwas anderes die beiden auf. Aus den Lautsprechern hallte eine neue Durchsage über die Bucht:
»Achtung, Achtung, wir rufen den Krisenstab!«
Die Antwort hörten sie nicht, aber dann ging es weiter:
»In einer Minute führen wir die nächste Sprengung durch. Diesmal brauchen Sie keine Zeit für die Räumung, denn da wohnt niemand. Aber sehen Sie sich das Schauspiel an! Richten Sie Ihren Blick auf die Bucht! In vierzig Sekunden können Sie ein prächtiges Feuerwerk genießen. Sehen Sie auf die vor dem HYATT CONTINENTAL liegende Zone! Dort ragt ein Felsen aus dem Wasser, der Farallón del Obispo . In dreißig Sekunden wird da …«
»God bless me!« Newman, der von den beiden das bessere Spanisch sprach, wußte zwar nicht, wie der Felsen hieß, auf den sie geklettert waren, aber er

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