1986 Das Gift (SM)
verletzt. Ein Fernsehteam und eine Gruppe von Journalisten hatten sich auf dem Bischofsfelsen etabliert. Wir haben die Leichen bereits geborgen. Die Verletzten werden gerade zur Klinik gebracht. Sie hatten gesagt: unbewohnte Randgebiete! Außerdem hatten Sie versprochen, uns rechtzeitig die Planquadrate anzugeben, und nun sprengen Sie direkt vor den großen Hotels. Hier besteht kaum noch Bereitschaft, mit Ihnen zu verhandeln. Ende.«
Die Gegenseite meldete sich, aber diesmal war es eine andere Stimme.
»Hören Sie?«
»Ja.«
»Sie sind selbst schuld am Tod Ihrer Leute. Wir hatten Ihnen gesagt: keine Flugzeuge, keine Boote, keine Taucher, keine Schwimmer … Passen Sie auf! Jetzt geht es auf englisch weiter. Das verstehen Sie doch, oder? Ende.«
»Ja«, antwortete García, »wir sprechen Englisch.«
»Also, Ihre Journalisten werden ja wohl nicht vom Strand auf den Felsen gesprungen sein, sondern sie sind geschwommen oder mit dem Boot gefahren. Sie also sind es, die die Regeln verletzt haben! Sie haben keine andere Wahl, werden daher mit uns verhandeln! Wir geben Ihnen jetzt den Ort bekannt, an dem das mittlerweile entschärfte Dioxinfaß lagert. Es befindet sich im Planquadrat G 2 in der oberen rechten Ecke, und zwar zwischen den Straßen Vicente Guerrero und Zaragossa auf einem Ruinengrundstück. Wenn Sie es von der Zaragossa aus betreten, haben Sie links einen Tennisplatz. Die Ruine hat gelb gestrichene Mauern. An ihrer Nordwand liegt ein großer Wasserbehälter, ein tinaco. Er muß beim Einsturz des Hauses vom Dach gefallen sein. Darunter befindet sich das Dioxinfaß. Sie brauchen nur die nach oben führenden Drähte zu kappen, und dann können Sie es herausholen. Wie man es öffnet, wissen Ihre Chemiker. Wir rufen Sie morgen früh um acht Uhr wieder an. Bis dahin haben Sie das Material untersucht. Halten Sie ab morgen zwanzig Uhr das Geld bereit! Ende.«
»Hören Sie!«
»Unser Gerät wird jetzt ausgeschaltet. Wir melden uns morgen früh. Ende.«
Garcia versuchte es trotzdem, aber der Kontakt kam nicht wieder zustande.
»Jetzt ist eingetreten, was Dr. Reyes befürchtet hat«, sagte der Admiral. »Wir haben schlechte Karten. Die Möglichkeit, daß das Faß gar nicht existiert oder daß es kein Dioxin enthält, ist, glaube ich, gleich null.«
»Machen wir uns an die Arbeit!« antwortete Peralta.
»Ich brauche ein paar Helfer, Schweißer, Chemiker, Techniker. Außerdem einen Lkw und ein Labor. Und Schutzanzüge.« Er wandte sich an den Bürgermeister: »Ist alles vorbereitet?«
»Ja.«
»Gut. Ich schätze, gegen zwei Uhr heute nacht haben Sie das Ergebnis.«
»Ich muß Ihnen aber noch eine Warnung mit auf den Weg geben«, sagte Reyes.
»Welche?«
»Eine, die Sie auf jeden Fall beherzigen sollten. Angenommen, die Fässer sind zwar vorhanden, enthalten jedoch kein Dioxin! Das würden die Gangster natürlich nicht eingestehen. Aber nun sind sie aufgefordert worden, eins davon vorzuzeigen. Was können sie also tun, damit sie einerseits auf unsere Bedingungen eingehen, andererseits ihre Schwäche nicht preisgeben? Vielleicht folgendes: Sie nennen den Standort eines Fasses, entschärfen den Sprengsatz aber nicht, sondern lassen die Experten an dem Ding hantieren. Es explodiert, und dann erklären sie einfach, unsere Männer seien unsachgemäß vorgegangen. Behaupten kann man so etwas immer. Auf ein Gespräch über eine zweite Nachprüfung lassen sie sich dann nicht mehr ein. Auf diese Gefahr wollte ich hinweisen.«
»Sie haben recht! Ich werde dafür sorgen, daß der Sprengmeister die Sache mit äußerster Behutsamkeit angeht.«
Bevor Peralta sich auf den Weg machte, bat Paul Wieland um Gehör. »Es war ein anderer Sprecher«, sagte er. »Bei den wenigen spanischen Sätzen am Anfang war der fremde Akzent nicht zu überhören. Aber mir schien, auch das Englische ist nicht seine Muttersprache. Zum Beispiel spricht er das R falsch. Er hat auch nicht den singenden Tonfall der Skandinavier, spricht eher hart. Ich tippe auf einen Deutschen.«
»Okay«, sagte der General, »das ist ein Anhaltspunkt.«
Und Garcia fügte hinzu: »Kein erfreulicher, denn die Deutschen sind ja bekanntlich sehr tüchtig.«
10.
Alle Männer der FLECHA befanden sich an Deck. Die Stimmung war gereizt. Die blutige Bilanz der letzten Sprengung hatte einen ernsten Rückschlag herbeigeführt: Fernando hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten.
Dem Vorwurf, er sei mitschuldig am Tod von sechs Menschen und an den Verletzungen von fünf weiteren, war er nicht
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