1986 Das Gift (SM)
Klar?«
Noch einmal gab der Spanier das Zeichen, daß er begriffen habe, nickte wortlos.
»Du mußt dich«, fuhr Leo fort, »also entscheiden, und das auf der Stelle. Was willst du tun?«
Fernando hob drei Finger. »Die dritte Möglichkeit«, sagte er.
»Okay.« Leo setzte sich auf die Reling. »Ich hoffe, damit ist dieses jämmerliche Intermezzo überstanden. Kehren wir also zu unserem Job zurück! Ich muß, weil die Burschen mal wieder unsere Texte über den Haufen geworfen haben, neue Durchsagen ausarbeiten. Felix und Richard helfen mir dabei. Wir gehen runter in die Kajüte. Ihr drei anderen schiebt Wache. In einer Stunde lösen wir euch ab.« Er ging voran, Felix und Richard folgten ihm, und kurz darauf saßen sie wieder zu dritt an dem kleinen Tisch.
»Wir wollten doch die erste Nachtwache übernehmen und danach Fernando und Raúl belauschen«, sagte Richard.
»Dafür hab’ ich ja die Gerate installiert.«
»Das ist überholt«, antwortete Leo. »Und natürlich hab’ ich nicht vor, Texte mit euch zu erarbeiten. Das mach’ ich allein. Wir müssen etwas anderes besprechen. Richard, du hast dich nicht getäuscht! Die beiden wollen aussteigen. Bestimmt sollte das heimlich vor sich gehen, aber dann kam Fernandos Zusammenbruch. Ihr wißt«, er tippte sich an die Brust, »ich bin kein Mörder. Der Polizist und die Journalisten standen nicht auf meinem Programm. Der eine mußte sterben, weil er sonst ein Loch in unser Faß geschossen hätte, und die anderen waren einfach nur leichtsinnig. Punktum. Ja, und nun haben wir zwei Partner, die …«, er machte eine Pause, atmete hörbar ein und aus, »eine ebenso große Gefahr darstellen wie der Polizist im cañón .«
»Fernando hat doch eingelenkt«, sagte Richard, aber es klang nicht überzeugend, nicht einmal überzeugt.
»Ach was! Du weißt, daß er sich nur für die dritte Möglichkeit entscheiden konnte. Oder vielmehr: daß er uns das vorspielen mußte. Es tut mir leid, aber wir haben keine Wahl! Die beiden müssen weg!« Eine Weile herrschte Schweigen in der kleinen Kajüte.
»Wie meinst du das?« fragte Felix schließlich.
»Wir können sie nicht am Leben lassen und trotzdem unsere Sache durchziehen. Stimmt ihr mir in diesem Punkt zu?«
»Nicht unbedingt«, sagte Richard.
»Wieso nicht?« fragte Leo. »Wir müßten darauf gefaßt sein, daß sie sich nach der Geldübergabe stellen, und dann wären wir geliefert. Sie kennen unsere Pläne, zum Beispiel die Finte mit der Chantengo-Lagune, von der alles abhängt. Aber selbst wenn wir unser Konzept ändern, sind wir geliefert. Sie können uns so genau beschreiben, daß die Phantombilder wie richtige Fotos ausfallen würden. Ach was, sie brauchten uns gar nicht zu beschreiben, brauchten bloß unsere Namen zu nennen, und dann wären im Handumdrehen unsere Fotos vom Bundeskriminalamt hier! Bei Felix ist es was anderes, aber auch von ihm würde man ein Bild auftreiben, sobald die Personalien bekannt sind. Und sogar für den Fall, daß sie gar nicht vorhaben, sich zu stellen, säßen wir auf einem Pulverfaß. Leute mit schwachen Nerven verraten sich früher oder später. Fernando kriegt die Toten nicht mehr aus seinem Kopf. Er wird auffallen, wird, wenn er in einem Lokal sitzt und ein Bulle reinkommt, weglaufen. Oder macht andere Fehler, verstellt seine Stimme, weil er Angst hat, man könnte sie wiedererkennen. Na, und dieser Halbwilde aus Renacimiento ist genauso gefährlich für uns. Der könnte sich ja sogar reinwaschen bei der Polizei. Den Transport hat er zwar freiwillig gemacht, aber bei allem, was danach war, hatte er unsere Faust im Nacken. Glaubt mir, wir dürfen es uns nicht leisten, die beiden am Leben zu lassen.«
Wieder folgte eine längere Stille. Endlich fragte Felix:
»Könnten wir sie nicht doch noch auf die Probe stellen? Sie belauschen? Vielleicht kriegen wir zu hören, daß Raúl gar nicht daran denkt, seine Viertelmillion Dollar sausen zu lassen, und daß auch Fernando sich besonnen hat und wieder mitmacht.«
»Ja, das sollten wir tun«, meinte Richard, aber Leo war sofort da mit seinem Einwand:
»Es hieße, daß wir Georg zu uns beordern müssen, damit die beiden da oben allein sind. Und was dann? Vielleicht zertrümmern sie die Sprechanlage oder schwimmen weg, oder Fernando kriegt seinen zweiten Kollaps. Ich weiß, wir hatten vorgesehen, sie allein zu lassen, aber inzwischen hat sich die Lage verändert.«
»Trotzdem finde ich, wir sollten es machen«, antwortete Richard.
»Ich auch«, sagte Felix.
Leo
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