1992 Das Theunissen-Testament (SM)
Fenster des Pförtners vorbei.«
Und wieder ging es an Hauswänden entlang, erst einer längeren, dann einer kürzeren, dann noch einmal an der Längsfront. Als sie diese zur Hälfte abgeschritten hatten, stießen sie auf einen Eingang von einem halben Meter Tiefe. »Hier müssen wir nachher rein, um in die Büros zu kommen«, sagte Ernesto und faßte an den Türgriff. »Sie ist zu.«
»Klar.«
Sie schlichen weiter, erreichten die andere Tür. Hinter ihr lag die Pförtnerloge. Wie auf dem Monte Osorno galt es auch jetzt abzuwägen, Stürmen oder nicht? War abgeschlossen? Empfahl es sich zu warten, bis das Opfer von selbst herauskam? Zwei Umstände waren allerdings günstiger als auf dem Berg. Erstens. Vor dieser Tür befand sich kein steil abwärts verlaufender Zuweg. Und außerdem. Diesmal war die Nachahmung von Tierlauten das richtige Mittel, den Insassen herauszulocken. Sie besprachen sich im Flüsterton, entschieden sich für eine fauchende Katze.
40
»Quchchchch …, quchchchch …«
Federico staunte, so echt erschien ihm Ernestos Fauchen. Er sah die aufgebrachte Katze förmlich vor sich mit ihrem gesträubten Fell und den gefletschten Zähnen. Dann kamen Kratzgeräusche hinzu. Ernesto begann, mit seinem Taschenmesser an der hölzernen Tür zu schaben, und es dauerte denn auch nicht lange, bis sie hörten, daß drinnen ein Stuhl gerückt wurde. Gleich darauf ging die Tür auf. Der Pförtner ahnte offenbar nichts Böses, jedenfalls nichts, was von Menschenhand stammte. Er war kaum einen Schritt hinausgetreten, da traf ihn, von der Seite her, der Schlag mit der MAUSER. Er stieß einen kurzen Schreckenslaut aus und brach zusammen. Sofort waren sie über ihm, zerrten ihn in den Raum zurück, schlossen die Tür hinter sich.
Sie wußten, ihr brutales Vorgehen hatte nur Sinn, wenn sie es nicht beim Schlag an die Schläfe bewenden ließen. Rasch zog Federico die aufgerollte Schnur und den Lappen aus der Brusttasche seines Overalls, und dann fesselten sie den Mann an Händen und Füßen, stopften ihm das Tuch in den Mund, verknoteten ein Stück Schnur darüber, ketteten ihn schließlich mit einem Paar ihrer Handschellen an den unterhalb des Fensters verlaufenden Heizkörper.
Sie machten danach eine Entdeckung, die ihnen günstig erschien. Von dem Kontrollraum aus, in dem sie sich befanden, führte eine Tür nach hinten. Sie gingen hindurch und gelangten ins Vorzimmer der Büros. Also mußten sie das Gebäude gar nicht wieder verlassen, konnten sich das umständliche Öffnen der Außentür ersparen. Das war um so besser, als sie jetzt feststellten, daß die drei Büroräume auch abgeschlossen waren und sie also genug Arbeit vor sich hatten.
Für die erste Tür brauchte Federico zweieinhalb Minuten. Sie traten ein, zogen die Rouleaus herunter, und dann ging es an die beiden Schreibtische.
Nach einer Viertelstunde stand fest. In den Schubladen war nichts, was ihr Interesse verdient hatte. Also die zwei Schränke! Sie mußten sie mit ihren Nachschlüsseln öffnen. Auch hier eine vergebliche Suche. Der nächste Raum! Da die Türschlösser gleich waren, dauerte es wiederum nur zweieinhalb Minuten, bis sie sich Zutritt verschafft hatten. Sie ließen die Rouleaus herunter, machten danach ihre Lampen an. Es gab nur einen Schreibtisch und nur einen Schrank. »Ist wohl das Chefbüro«, sagte Ernesto.
Federico übernahm den Schrank, der ein kompliziertes Schloß hatte. Erst nach fast fünf Minuten konnte er die mit Kassetten verzierte Tür aufziehen. Und was sah er? Nichts als Aktenordner. Mindestens zwei Dutzend. »Das schaffen wir nie!« stöhnte er, griff sich einen heraus und trat zu Ernesto an den Schreibtisch. In diesem Moment ertönte draußen ein Motorengeräusch. Sofort schalteten sie die Lampen aus. Federico lief zu einem der Fenster, schob das Rouleau ein Stück zur Seite, spähte hinaus.
»Bei der Werkstatt fährt ein Wagen los«, sagte er leise. »Vielleicht gibt’s da auch ’ne Wache, und die hat mit dem Pförtner sprechen wollen, aber keinen Kontakt gekriegt und kommt nun hierher. Wir müssen schleunigst raus, sonst sitzen wir in der Falle.« Ganz kurz nur schaltete er die Lampe wieder an, damit sie den Weg schneller fanden. Sie stürmten aus dem Büro, durchquerten den Vorraum, warfen einen Blick auf den Gefesselten. Er lag genauso da, wie sie ihn verlassen hatten, stöhnte aber. Sie rannten hinaus, drückten die Tür hinter sich zu. »Wohin?« fragte Ernesto. »Zu der anderen Tür! In die Nische!«
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