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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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näher sie herankamen, desto deutlicher traten die Konturen zutage. Schließlich waren es nur noch etwa zweihundert Meter, die sie vom großen Einfahrtstor trennten. Rechter Hand lag, wie Blei schimmernd, die graue Fläche des Lagunenwassers. Sie erreichten eine kleine Kolonie von mannshohen Büschen, die am Straßenrand standen und in deren Schutz sie nun parkten. Lautlos stiegen sie aus, nahmen ihr Gerät vom Rücksitz und machten sich auf den Weg, wagten sich bis auf ungefähr fünfzig Meter ans Tor heran, konnten erkennen, daß in der Pförtnerloge Licht brannte. Sie verließen die Straße auf der linken Seite, scherten schräg aus und hielten auf den Zaun zu, erreichten ihn, gingen an ihm entlang. Für den Fall, daß Alarm ausgelöst wurde, sobald sie die Schere ansetzten, wollten sie möglichst weit vom Wächter entfernt sein. Erst als sie fast am Ende der Längsseite angekommen waren, hielten sie an. Ernesto kniete sich hin, machte die ersten Schnitte, kappte den starken Draht an vier, fünf Stellen und legte sein Werkzeug dann erst mal ab. Sie warteten volle zehn Minuten. Doch nichts geschah. So nahm er die Arbeit wieder auf, die ihm dank der langen Hebelarme leicht von der Hand ging. Jedesmal war nur geringer Druck nötig, und schon sprangen die Drahtenden auseinander. Als er ein etwa achtzig Zentimeter hohes und sechzig Zentimeter breites Stück an den Seiten und unten gelöst hatte, klappten sie es zu zweit hoch und schlüpften durch die Öffnung. Anschließend kippten sie die Drahtfläche wieder herunter und befestigten sie an zwei Stellen. Einem flüchtigen, durch die Dunkelheit beeinträchtigten Blick würde die Beschädigung verborgen bleiben. Sie schätzten ab, wie weit ihr Schlupfloch von der Grundstücksecke entfernt war. Sechs Meter mochten es sein. Diese Überprüfung war wichtig, denn vielleicht würden sie in größter Eile fliehen müssen, und eine lange Suche könnte ihnen dann zum Verhängnis werden. Da die sperrige Schere ausgedient hatte, nahm Federico sie auf und schleuderte sie über den Zaun. Sie landete fast lautlos im weichen Wiesengelände.
Sie liefen los, gerieten schon nach wenigen Metern in die durch die hohe Halle geschaffene Schattenzone und erreichten kurz darauf die Halle selbst. Behutsam schlichen sie an ihrer Kunststoffwand entlang. Sie war, wie sie am Nachmittag gesehen hatten, von dunkelgrauer Farbe, so daß ihre Gestalten, durch den Schatten zusätzlich geschützt, sich nur schwach abhoben.
Das Verwaltungsgebäude und die Halle mit den Oldtimern waren dagegen blendend weiß gestrichen.
Etwa auf halber Strecke entdeckten sie eine kleine Tür. Federico drückte den Griff herunter; sie war verschlossen. »Wir werden uns später ja auch hier umsehen«, sagte er. »Ich schließ’ schon mal auf und prüf dabei unsere Instrumente.«
»Okay.«
»Wird nicht lange dauern. Es ist zum Glück ein ganz einfaches Schloß.«
In zwei Minuten hatte er es geschafft. Sie steckten die Köpfe in die Halle, konnten in der Dunkelheit nichts erkennen, hatten aber sofort den süßlichen Geruch des Granulats in den Nasen. Sie drückten die Tür zu, hielten sich nicht damit auf, sie wieder abzuschließen, setzten ihren Weg fort.
Es beruhigte sie, daß auf dem weitläufigen Areal nur ein Dutzend Lichtquellen vorhanden waren, und zwar freistehende Bogenleuchten und an Hauswänden angebrachte Außenlampen. Zwar hatten sie die auch schon am Nachmittag gezählt, aber doch die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß es zusätzliche, versteckt angebrachte Strahler gab, die bei Nacht den ganzen Betrieb in gleißendes Licht tauchten, was ihnen zumindest die Überwindung freier Flächen erschwert hätte. Sie erreichten das Ende der Halle, lauschten, schickten ihre Blicke in die Runde, entdeckten nichts Gefährliches. Es ging weiter, hinweg über einen großen asphaltierten Platz, der eine besonders kritische Zone war, weil kein Haus, kein Kran auf ihm stand, nichts, was Sichtschutz hatte bieten können. Auch die endlos langen Reihen der Autowracks fehlten, sie begannen erst jenseits der Oldtimer-Halle, füllten dort ein gut hektargroßes Stück des Firmengeländes.
Sie schafften die Überquerung ohne Zwischenfall, ruhten sich an der Wand des Verwaltungstraktes aus, lauschten wieder, hörten nichts. Als nächstes mußten sie die andere Seite des langgestreckten Gebäudes erreichen, weil da die Türen waren. »Vorn oder hinten herum?« fragte Ernesto. »Hinten. Der Weg ist zwar weiter, aber vorn müßten wir am

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